Wenn der Gürtel nicht mehr enger geht

Austeritätspolitik in Europa und ihr ein Einfluss auf das Leben von Frauen — Eine Spurensuche in den Ländern des Kontinents

28.06.2018
Feminist strike in Madrid, 8 March 2018, Foto: Álvaro Minguito

"Ohne uns steht die Welt still." Das war der Slogan, unter dem mehrere Millionen Frauen am 8. März 2018 in Spanien in den Generalstreik traten. Der Streik gab ihnen die Möglichkeit, verschiedene Themen zu diskutieren und sich zu organisieren: Arbeit, Pflege, Konsum.

Keine andere soziale Bewegung von links hat in den letzten Jahren weltweit so erfolgreich protestiert und sich gegen patriarchale Strukturen gestemmt wie die feministische Bewegung.

Die Gründe sind vielfältig und von Land zu Land verschieden. Dennoch gibt es eine europäische Gemeinsamkeit. Mit Beginn der Finanzkrise im Jahr 2007, die sich später zur Eurokrise ausweitete, verschrieben sich viele Länder einer absoluten Austeritätspolitik.

In Südeuropa und Irland waren es hauptsächlich die Europäische Union und der internationale Währungsfonds, die das Sparen diktierten. In Osteuropa war es der Erfolgsdruck der neuen Mitgliedsländer gegenüber der EU und eine gewünschte schnelle Integration in den europäischen Wirtschaftsmarkt, die die Regierungen Sparhaushalte aushandeln lies.

EU-Beitrittskandidaten wie Serbien und EU-Nachbarländer wie die Ukraine unterwarfen sich in vorauseilendem Gehorsam der EU und ihren Forderungen, um den Beitrittsfortschritt und die Annäherung nicht zu gefährden.

Wie auch immer — das Mantra des Sparens zu Gunsten eines ausgeglichenen Haushaltes, besserer Wettbewerbsfähigkeit und der Schuldenvermeidung hat verheerende Auswirkungen auf die Arbeits- und Lebensbedingungen von Frauen sowie auch generell auf die Geschlechterbeziehungen.

In den von der Rosa-Luxemburg-Stiftung 2017 in Auftrag gegebenen und jetzt fertig gestellten Länderstudien zu den Auswirkungen der Austeritätspolitik auf Frauen wird genau dies auch untersucht.

Unter dem Titel "Austerity, Gender Inequality and Feminism after the Crisis" haben die Autorinnen nicht nur Daten zur Beschäftigung und zum Einkommen von Frauen ausgewertet sondern auch insbesondere Sparmaßnahmen, die direkt die Gleichstellung betrafen, unter die Lupe genommen, sowie Gesetzesänderungen und Neuregelungen dahingehend untersucht.

Wie wirkt sich Sparpolitik auf Geschlechterrollen in der Familie aus? Wer übernimmt Erziehung und Pflege von jung und alt, wenn der Staat keine Unterstützung mehr bietet? Was heißt es, wenn Gleichstellungsbeauftragte gleichzeitig mit dazugehörigen Förderprogrammen weggespart werden? Wo bleiben Frauen, wenn es keine Zufluchtsstätten für Opfer häuslicher Gewalt gibt? Wer bringt die ungewollten Kinder durchs Leben, wenn Abtreibung nicht mehr erlaubt ist?

Die Studien zeigen eine Topografie dessen, welche Auswirkungen das Spardiktat in Europa auf Geschlechterverhältnisse hat und formulieren Forderungen einer linken feministischen Politik, die auf sozialer Gerechtigkeit und einer Gleichstellung der Geschlechter basiert.

Neben einer deutschen Studie liegen weitere Studien in englischer Sprache aus Griechenland, Spanien, Irland, Russland und der Ukraine vor. Studien zu Kroatien, Polen und Litauen folgen in Kürze.

Sie wurden bereits in einigen Ländern einzeln diskutiert, sowie im europäischen Parlament vorgestellt (der englische Bericht dieser Veranstaltung ist hier abrufbar). Weitere Präsentationen folgen.