Gewitter am Balaton?

Europawahl in Ungarn

27.04.2019
Szilárd Mészáros
Andor Kish / Flickr / CC BY-NC 2.0

Ein deutscher Freund von mir hat neulich gesagt: „Wenn wir in den ersten beiden Jahrzehnten nach der Wende besorgniserregende Nachrichten aus Ungarn hörten, dachten wir uns immer, es gibt wieder ein kleines Gewitter am Balaton. Wir hätten es ernster nehmen müssen.“ – Nach der langen Periode als Musterbeispiel für die gelungene demokratische Wende und als Erfolgsprojekt der europäischen Integration zählt Ungarn heutzutage zu den finstersten Ecken des Kontinents. Wie konnte es dazu kommen? Was wurde aus dieser charmanten mitteleuropäischen Republik? Was für ein Bild kann von jenem Land skizziert werden, dessen berühmter See, der Balaton, vor der Wende jahrzehntelang als symbolischer Ort individueller Geschichte galt, wo sich Ost- und Westdeutsche trafen und welches Land sich heute – geachtet der Politik seiner Regierung – am liebsten völlig von der westlichen Welt abschotten würde? Wie schneidet die ungarische Linke unter solchen Umständen ab? Welche Ansätze linker Politik lassen sich im Allgemeinen und besonders hinsichtlich der diesjährigen Europawahl feststellen?

Die oben zitierte Aussage stimmt insofern, dass die Wurzeln der heutigen Regierungspolitik von Viktor Orbán in bestimmter Hinsicht tatsächlich im vorherigen Zeitraum liegen. Die 20 Jahre zwischen 1990 und 2010 haben trotz all ihrer Errungenschaften bezüglich der Transformation in eine parlamentarische Demokratie bedeutende gesellschaftliche Verluste mit sich gebracht und aus wirtschaftlicher Hinsicht für schwerwiegende Enttäuschungen gesorgt. Dahinter stecken eigentlich zwei weltpolitische Phänomene. Zum einen kam es aufgrund einer neokonservativen Wende in den USA und in Europa (die u. a. mit Reagan und Thatcher symbolisiert werden kann) zum Ende des sozialen Friedens: Die existenziellen Perspektiven der Massen verschwanden. Zum anderen wurden die sozialen Spannungen durch die Wirtschaftskrise in 2008 deutlich verschärft. Auf der Agenda der ungarischen linksliberalen Regierungen zwischen 2002 und 2010 standen auch viele Maßnahmen, die als neoliberal eingestuft werden können (z. B. die Einführung der Praxis- und Studiengebühren). Das „klassische“ politische System bekam also ein erhebliches Glaubwürdigkeitsproblem.

Dies ebnete den Weg für Populisten wie Viktor Orbán, der aus der Opposition jede Möglichkeit nutzte, die damaligen Regierungsparteien und deren Anführer – vor allem den charismatischen und deswegen für Orbán gefährlichen sozialistischen Ministerpräsidenten Ferenc Gyurcsány – zu diffamieren. Ein wichtiger Unterschied zu seiner heutigen politischen Grundhaltung ist, dass er damals eine West-orientierte, pro-europäische Einstellung vertrat: „Es kann sein, dass das Öl aus dem Osten kommt, die Freiheit ist aber immer aus dem Westen zu erwarten“ – verkündete er 2007 mit einer klaren Distanzierung zur damaligen Russland-freundlichen Außenpolitik der Regierung.

Hintergründe und Deutungsversuche des ungarischen „Illiberalismus“

Orbán hat jedoch nach den drei Zweidrittelmehrheiten im ungarischen Parlament eine Kehrtwende von 180 Grad gemacht. Die Regierungspolitik des „Illiberalismus“ ist mittlerweile weltberühmt und in aller Munde. Was jedoch zuerst als rein taktisches Kalkül erschien, wurde allmählich zur festen strategischen Überzeugung: Die Regierung von Ungarn glaubt inzwischen tatsächlich an den anti-säkularen Staat, verabscheut politische Korrektheit, verbannt die Gender Studies, senkt das Strafmündigkeitsalter (bei den schwersten Straftaten wie Mord, Totschlag, Raub und Körperverletzung) auf 12, die Altersgrenze für das Ende der Schulpflicht auf 16 Jahre – Letzteres im Sinne des „auf Arbeit beruhenden Sozialmodells“. Sie schafft die Erbschaftssteuer zum Teil ab. Sie betreibt eine Familienpolitik, welche auf traditionellen Geschlechterrollen beruht. „Wer arm ist, ist selber schuld“ – so lautet das politische Credo hinter der sozialen Ungleichheit und dient zugleich als ideologische Grundlage für die Kürzung des Arbeitslosengeldes. Es wird eine „perverse Redistribution“ vollzogen, wodurch die Reichen noch reicher und die Abgehängten in eine immer aussichtslosere Lebenslage gedrängt werden. Geachtet der Ähnlichkeiten in der Programmatik fühlt man irgendwie, dass hier bereits ein Pendant der deutschen Partei Alternative für Deutschland (AfD) an der Macht ist.

Es wird immer wieder aufs Neue versucht, das System von Orbán politikwissenschaftlich zu identifizieren und eine adäquate Benennung dafür zu finden. Die herkömmlichen Kategorien der Diktatur und des Autoritarismus reichen scheinbar nicht mehr aus, denn es gibt nach wie vor freie (wenn auch keine fairen) Wahlen und eine (teils) unabhängige Gerichtsbarkeit. „Hybridregime“ , „permanenter Ausnahmezustand“ („permanent state of exception“) , „Ein-Mann-Demokratie“ – dies sind nur drei Beispiele aus der Fülle der Deutungsversuche für diesen Machtrausch. Dirk Auer schreibt in einem anderen (nämlich balkanischen) Zusammenhang über „Stabilokratien“: Diese sind „semi-autoritäre Regime, die sich als Garanten von Stabilität empfehlen“ – „auf der anderen Seite unterminieren sie jedoch […] demokratische Prinzipien und Rechtsstaatlichkeit, sie knebeln die Medien und unterwerfen staatliche Institutionen Parteiinteressen“.

Viktor Orbán präsentiert sich in den letzten Jahren als der Retter des Ungarntums und zugleich des christlichen Abendlandes vor der „muslimischen Migrantenwelle“ – und diese politische Selbstdarstellung hat ihm zum erneuten Wahlerfolg im April 2018 verholfen. Die (fast absolute) Mehrheit der Wähler*innen ist auf Nummer sicher gegangen und aus Angst vor dem Unbekannten (hier: vor den Geflüchteten) und damit zusammenhängenden Verlustängsten haben sie die scheinbare Stabilität bevorzugt und wieder Orbán gewählt. Hierzu können u. a. folgende Anhaltspunkte genannt werden:

1) Hinter diesen Wahlentscheidungen und politischen Sympathien können tieferliegende Phänomene aus der ungarischen Geschichte ausgemacht werden. Die Ungar*innen haben lange Jahrhunderte der Unterdrückung erlebt – dies kam mal von den Türk*innen, mal von den Habsburger*innen. Nach der Wende 1989/1990 konnte die Politik – und besonders der begabte Stratege Orbán – auf den erwachenden und blühenden Nationalstolz bauen. Den Ungar*innen wird von den Rechten immer wieder vorgetragen, dass sie zu etwas Größerem geschaffen sind, dass sie etwas Besseres verdient haben. Laut den neueren Äußerungen von Orbán seien die Ungar*innen außerdem nicht ausreichend respektiert, sie würden daneben auch noch missverstanden. Diese Inhalte werden sogar von der ungarischen Nationalhymne untermauert: „Denn dies Volk hat schon gebüßt / Für Vergangenes und Kommendes“ – so heißen die letzten Zeilen. Klar ist, dass man mit einem solchen historischen Erbe nur schwierig ein ausgewogenes und optimistisches Nationalverständnis aufbauen kann – insbesondere, wenn die Politik skrupellos dagegen wirkt. Hinzu kommt, dass immer noch keine soliden Strukturen für eine gewissenhafte Aufarbeitung der ungarischen Geschichte vorhanden sind. Wenn jedoch eine Nation ihre Vergangenheit nicht bewältigen kann, dann ist die vielleicht wichtigste Voraussetzung der nationalistischen Neigungen gegeben.

2) Der Nationalismus wird tendenziell immer dort stark, wo die Anzahl der Abgehängten steigt, wo die Kluft zwischen Armen und Reichen größer wird. Die Frustration der Globalisierungsverlierer und die bewusste Stimmungsmache gegen die „unpatriotischen Volksverräter bilden somit einen guten Nährboden für autoritäre Politiken. Orbán hat in den letzten Jahren ganz konsequent mal gegen die linksliberale Elite, mal gegen die Banken, mal gegen das ausländische Finanzkapital, mal gegen den Internationalen Währungsfonds, mal gegen die Bürokrat*innen von Brüssel gehetzt. So hat er erreicht, dass er erfolgreich als Beschützer der Nation auftreten kann – und zwecks Beschützen sind ja auch außerordentliche („unorthodoxe“) Maßnahmen anwendbar. Der etwa 175 km lange Zaun an der serbischen und der etwa 41 km lange Zaun an der kroatischen Grenze verhindern natürlich nicht, dass Geflüchtete (in der Regierungskommunikation „Migranten“) aus dem Nahen Osten nach Europa gelangen, sie symbolisieren allerdings die auf Verteidigung und Abschottung basierende nationalistische Politik, welche im Übrigen – geachtet zum Beispiel der neuesten, gegen die Menschen auf der Flucht gerichteten Hetze – keinesfalls als christlich, christdemokratisch bewertet werden kann. Diese Politik der harten Hand (welche letztendlich auf Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und weißem Überlegenheitsgefühl beruht) kommt aber bei breiten Wählerschichten sehr gut an, denn sie verkörpert einen starken, gar allmächtigen Staat, welcher Schutz und Sicherheit gewährleistet.

3) Außerdem führt die Zentralisierung der politischen Macht u. a. zu der gesellschaftlichen Gesinnung, dass alle auf die Entscheidungen von oben warten. Es traut sich langsam keine*r mehr zu, in jeglichen gemeinschaftsbezogenen oder gar Arbeitssituationen proaktiv zu handeln. Denn dort, wo auf die Eigeninitiative kein Wert mehr gelegt wird und diese sogar verbannt wird, liegt es auf der Hand, sich allmählich dem zentralen Willen unterzuordnen. So konnten sowohl die öffentlich-rechtlichen als auch manche privaten Medien gleichgeschaltet werden: Sie dienen bereits ausschließlich den Propagandazwecken der Regierung. In der Wiederwahl von Orbán hat diese Atmosphäre eine bedeutende Rolle gespielt. Viele haben sich mittlerweile angepasst, denn sie möchten ihre Arbeit nicht verlieren, sie haben Angst um ihre Familienmitglieder. Dabei spielt weder der beklagenswerte Zustand der öffentlichen Daseinsvorsorge noch jener des Gesundheitssystems eine bedeutende Rolle. Breite Schichten sind schlechthin an einem erneuten Regierungsauftrag von Orbán interessiert: die Beamt*innen im öffentlichen Dienst, die Gemeinschaftsarbeiter*innen, die Lehrkräfte in den Schulen (nachdem ihr Arbeitgeber seit einigen Jahren eine staatliche Zentralbehörde ist), und selbstverständlich die Oligarchen. All diese profitieren von der deutlich ausgeprägten Tendenz zur Korruption im Alltag einmal mehr.

Orbán sorgt auch dafür, dass die Frustration der Bürger*innen Auslauf findet: Durch die Schaffung von immer neuen Feindbildern gelingt es ihm, zugleich Sündenböcke aufzuzeigen (siehe die hexenjagd-ähnliche Hetzkampagne gegen George Soros und neulich auch gegen Jean-Claude Juncker) und damit ständig eine quasi-oppositionelle Rolle vorzuführen.

In dieser eingeschüchterten, niedergedrückten Stimmung fällt es verständlicherweise auch den linksgerichteten politischen Kräften schwer, ihre Wähler*innen zu mobilisieren und überhaupt eine tragbare oppositionelle Politik auszuarbeiten. Es gab jedoch selten einen größeren Bedarf in Ungarn an humanistischen Herangehensweisen, an Solidarität und Gerechtigkeit als heutzutage, wo schwer verschuldete Familien von Zwangsräumungen bedroht und Obdachlose auf Verfassungsebene kriminalisiert werden. Auf der einen Seite lässt sich ein wachsendes Prekariat, eine niedrige gesellschaftliche Aktivität und eine ausgeprägte Politikverdrossenheit, auf der anderen Seite eine zerstrittene und zersplitterte Linke beobachten, deren Parteien in den Meinungsumfragen insgesamt bei etwa 20 Prozent liegen.

Aufeinanderprallende Wertvorstellungen über Europa

Die große Frage der anstehenden Europawahl ist, ob die ungarische Linke mit ihrer pro-europäischen Grundhaltung erfolgreich einen Gegenpol zu Orbáns EU-Feindlichkeit aufbauen kann. In seiner Hexenküche wird nämlich seit einiger Zeit das neueste politische Gift zubereitet: Aussagen wie „Brüssel ist das neue Moskau“, „Die Europäische Kommission ist das Symbol für die Fehler der EU-Elite“, „Die EU ist das Reich der Brüsseler Bürokrat*innen“ dienen als eigentliche Offenbarungen des rechten Euroskeptizismus dazu, die Europäische Union als die neue Gefahr von außen darzustellen und die Bürger*innen (noch mehr) von ihr zu entfremden. All diese Äußerungen von Orbán mögen im Widerspruch zu der Tatsache stehen, dass Ungarn die höchste Pro-Kopf-Unterstützung in der gesamten EU erhält. Doch der ungarische Ministerpräsident räumt diesbezüglich immer ein, dass die Subventionen, die Ungarn zustehen würden, Gegenleistung dafür seien, dass das Land seinen Markt für das westliche Kapital geöffnet hat.

So zynisch und arrogant diese orbánsche Behauptung sein mag, darf man eine Tatsache nicht aus den Augen verlieren: Dieses westliche (vor allem deutsche) Kapital hat neulich Orbáns Partei vor dem endgültigen Ausschluss aus der Europäischen Volkspartei gerettet. Die deutsche Automobilindustrie wird nämlich von den ungarischen Körperschaftssteuerregelungen erheblich begünstigt – außerdem stehen ihr billige Arbeitskräfte zur Verfügung. (Bezüglich des Verbleibes von Fidesz in der EVP sollen anderweitige Pläne von west-europäischen konservativen Politiker*innen hier ausgeklammert bleiben.)

Die linken politischen Kräfte Ungarns stehen seit Jahren vor der Herausforderung, eine effiziente und glaubwürdige Opposition dieser stimmungsmäßig oppositionell eingestellten Regierung zu sein. Die bedrückende Wahrheit ist, dass das linke Lager seine politische Hausaufgabe nicht gemacht hat: Es hat in den 8-9 Jahren keine rebellische, auf die Werte der Solidarisierung und der Weltoffenheit basierende Alternative aufgestellt. Die linken und linksliberalen Parteien und Bewegungen haben das von Ferdinand Lassalle und Rosa Luxemburg vererbte wichtigste revolutionäre Gebot nicht eingehalten: Sie haben nicht laut und deutlich verkündet, was ist.

Eine erfreuliche Ausnahme und zugleich als Entwicklungsschritt bewertbare Aktion war der gemeinsame Protest der Oppositionsparteien im Parlamentsplenum im Dezember vergangenen Jahres, wo sie versuchten, die Abstimmung über die Änderung des Arbeitsgesetzbuches zu verhindern. Die Regierungsmehrheit wollte nämlich – und das ist ihr schließlich auf nicht überraschende Weise auch gelungen – die Möglichkeit schaffen, dass neben den schon bisher zulässigen 250 angeordneten Überstunden zusätzlich 150 weitere Überstunden pro Jahr angeordnet werden können. Die Dauer des Arbeitszeitrahmens kann bei entsprechender Regelung im Kollektivvertrag statt maximal 12 zukünftig maximal 36 Monate betragen. Diese neuen Regelungen ermöglichen eine noch größere Ausbeutung der Arbeitnehmer*innen. Die Opposition hat diese Gesetzgebung zu Recht als Sklavengesetz bezeichnet und hat es nach vielen Jahren endlich geschafft, in einer politischen Angelegenheit einen passenden inhaltlichen Rahmen zu bilden und den politischen Diskurs zu thematisieren – wenn auch nur für kurze Zeit.

Links der Mitte stellen sich mehrere kleine Parteien an die Startlinie der Europawahl.

Die Ungarische Sozialistische Partei (MSZP) hat als einstige Regierungspartei der Sozialdemokratie bei den letzten drei Parlamentswahlen immer größere Verluste einbüßen müssen. Letztlich hat sie zusammen mit der grün-links positionierten Partei Dialog (Párbeszéd) ein Wahlbündnis geschlossen und somit knapp 12 % der Stimmen erhalten. Die beiden Parteien treten erneut gemeinsam zur Wahl an. „Heimat. Liebe. Europa.“ – so lautet ihr Wahlslogan, mit einer eindeutigen Anspielung auf den Nationalstolz der Wähler*innen und auf das nationale Interesse innerhalb der EU.

Die Demokratische Koalition (DK), die Partei des ehemaligen Ministerpräsidenten Ferenc Gyurcsány, bekennt sich zu einer eindeutigen pro-europäischen Haltung. Zuletzt mit knapp 5 % der Stimmen ins nationale Parlament eingezogen proklamieren sie die Idee der Vereinigten Staaten von Europa und behaupten sich als die am meisten europäische Partei Ungarns. Auf Platz 1 ihrer Wahlliste steht die talentierte und ebenfalls charismatische Klára Dobrev (im übrigen die Ehefrau von Gyurcsány), die nach langer Überlegung jetzt einen Schritt in die Politik macht. Sie hat sich mit den bereits auf internationaler linken Ebene angestoßenen Programmpunkten des europäischen Mindestlohns und Kindergeldes, der europäischen Mindestrente sowie der europäischen Besteuerung der multinationalen Konzerne am eindeutigsten profilieren können – und das mit einer klaren linken Botschaft.

Die globalisationskritische grüne Partei „Politik Kann Anders Sein“ (LMP) liebäugelt mit ihrem 7 %-igen Wahlergebnis vom Vorjahr zur Zeit mit der einstig rechtsradikalen, neulich schwer einordbaren Jobbik-Partei, welche nach ihrer Positionierung Richtung Mitte mit 19 % der Stimmen unerwartet schwach abgeschnitten hat. Beide Parteien haben sich in den letzten Monaten in erschöpfende innere Streitigkeiten verkrochen und leiden stark unter erheblichen Verlusten in den Meinungsumfragen.

Geachtet der bisherigen Ausführungen mag es niemanden überraschen, dass sich in Ungarn keine politische Kraft links von der Sozialdemokratie etablieren konnte. Es gibt zwar einige Parteien, die sich als Vertreter der Arbeiterschaft verstehen, sie sind aber kaum sichtbar und befinden sich in der politischen Bedeutungslosigkeit.

In so einer Konstellation, wo praktisch alle Stimmen des rechten politischen Lagers auf eine Partei, nämlich auf Orbáns Fidesz fallen, die linke Seite jedoch mit zahlreichen Wahllisten und einer Vielfalt an Wertvorstellungen antritt, ist das Ergebnis leicht vorhersehbar: Orbáns Triumph ist nicht aufzuhalten. Die Vielfarbigkeit der linken Opposition ist aus demokratischer Hinsicht als eine Tugend zu bewerten, führt aber im ungarischen politischen System zur andauernden Hoffnungslosigkeit ihrer Wähler*innen, die sich seit langem in Demut und Beklemmtheit zu den Wahlurnen begeben.