Merkel-Macron: Ein Hauch von frischem Wind?

26.05.2020
Arif Rüzgar & Andreas Thomsen
German Chancellor Angela Merkel and French President Emmanuel Macron shake hands after a news conference at the Chancellery in Berlin

Bereits im April hatten sich die EU Staats- und Regierungschefs auf ein Corona-Hilfsprogramm von über 500 Milliarden Euro für besonders von der Krise betroffene Staaten geeinigt. Dabei handelt es sich ausschließlich um zinsgünstige Kredite. Nun legten die Bundeskanzlerin Angela Merkel und der französische Präsident Emmanuel Macron einen weiteren 500-Milliarden-Wiederaufbauplan vor. Nach diesem Vorschlag sollen die Kredite als nicht rückzahlbare Mittel, als Zuschüsse für die Mitgliedsländer ausgegeben werden. Und – und dies ist das bemerkenswerte an Macrons und Merkels Vorschlag: Die Europäische Union soll zur Finanzierung dieses Plans erstmal als Union Schulden aufnehmen. Unklar ist noch, ob der Fonds Teil des Haushalts der EU-Kommission sein soll und wie er sich zusammenstellen und verteilen soll. Länder wie Spanien, Italien und Portugal begrüßten den Vorschlag, nachdem sie sich schon früh für die Ausgabe von europäischen Anleihen ausgesprochen hatten. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen möchte einen eigenen Vorschlag für den Wiederaufbau nach der Corona-Krise vorlegen, wonach dann zumindest ein Teil der Mittel als nicht rückzahlbare Kredite ausgegeben werden sollen. Gegenwind kam allerdings, wie erwartet, von Österreichs Kanzler Sebastian Kurz. Dieser machte prompt klar, dass er den Plan nicht unterstützen wolle. Gemeinsam mit den Niederlanden, Dänemark und Schweden (Regierungen dieser vier Länder gefallen sich neuerdings darin, als „die sparsamen Vier“ aufzutreten), legte er einen Gegenentwurf vor. Die Vorschläge und das Gegenkonzept reichen also von zinsgünstigen Darlehen bis hin zu nicht rückzahlbaren Krediten an die Mitgliedsländer.

Zunächst erscheint der der deutsch-französische Vorschlag, als würde das Zwangskorsett des europäischen Fiskalpaktes aufgebrochen werden. Allerdings wird damit die generelle Ausrichtung einer neoliberalen Wirtschaftspolitik in der EU und in den einzelnen Mitgliedsstaaten nicht ersetzt, da es sich, nach dem Vorschlag um einen befristeten Fond zu einem bestimmten Zweck handelt. Einmalige Konjunkturpakete brechen nicht mit dem europäischen Fiskalpakt. Selbst die deutsche Bundesregierung, als vehemente Verfechterin der neoliberalen Austeritätspolitik, hat in ihrer Verfassung eine Verschuldungsmöglichkeit bei Wirtschaftskrisen vorgesehen – eine Option, die sich die Bundesregierung unter dem ehemalige Finanzminister Schäuble offengelassen hat.

Frankreichs und Deutschlands Wirtschaft hängen stark von den Konjunkturen der europäischen Mitgliedsländer ab. Die Unterstützung wird die Produktion und Aufträge in den beiden Ländern erhöhen. Österreich, die Niederlande Dänemark und Schweden hingegen haben kein großes Interesse an einer finanziellen Stärkung, da sie weit weniger von der Konjunkturlage in den südeuropäischen Staaten abhängig sind. Den Regularien der EU entsprechend, wonach alle EU-Regierungs- und Staatsoberhäupter zustimmen müssen, wird sich nach langen Verhandlungsprozessen höchstwahrscheinlich ein Kompromiss in Richtung einer Kreditgewährung mit einer anteiligen Bezuschussung ergeben.

Letztlich bleibt abzuwarten, wie der Plan die Unterstützung konkret aussehen soll und auch, ob damit der längst fällige Paradigmenwechsel verbunden wäre. Insbesondere bei letzterem muss man sehr skeptisch sein. Es zeichnet sich eine angebotsorientierte Wirtschaftspolitik ab, wie sie schon in Deutschland nach der Finanzkrise umgesetzt wurde. Die Abwrackprämie war eine solche Maßnahme. Die Strukturellen Schwächen der Volkswirtschaften werden nicht behoben, die soziale Ungleichheit nicht reduziert und die notwendige ökologische Transformation der Produktionsindustrie nicht eingeleitet. Und Valdis Dombrovskis, Vizepräsident der EU-Kommission machte zuletzt ganz deutlich, die Kommission beabsichtige so bald als möglich wieder zu den harten Regelungen des Wachstums- und Stabilitätspaktes, also zur verheerenden Austeritätspolitik zurückkehren zu wollen.

Ohne einen wirklichen Paradigmenwechsel wird es nichts Gutes. Diese Krise bietet schließlich auch die Chance, die Vorteile einer Währungsunion auszuspielen. Allerdings nur dann, wenn sie endlich vollendet wird. Wenn die Kommission nicht nur erkennt, die Voraussetzungen für den Wiederaufbau insbesondere in Südeuropa nach dieser Krise schaffen zu müssen, sondern dies eben auch will und durchsetzt. Alle Vorschläge, die die Mitgliedsstaaten weiter verschulden (ob mit oder ohne Rückkehr zum Wachstums- und Stabilitätspakt) werden kontraproduktiv sein. Mit Wiedereinsetzung des Paktes folgte dann die bisher schwerste institutionelle und finanzpolitische Krise der Union. Ohne Investitionsprogramme und massive Hilfen wird es aber auch nicht gehen. Dies macht die gemeinsame Schuldenaufnahme tatsächlich alternativlos, wollte man nicht gegen den gemeinsamen Wirtschafts- und Währungsraum spekulieren. Auch wenn der deutsch-französische Vorschlag ganz deutlich hinter dem eigentlich notwenigen zurückbleibt, als Vorschlag zur Nothilfe wäre er positiv zu werten, auch wenn die grundlegenden Probleme damit noch nicht gelöst sind. Und so bleibt die Hoffnung, dass die deutsche Regierung es hier wenigstens auch ernst meint und nicht nur auf das Votum aus einem der „sparsamen“ Staaten spekuliert.

Zu hoffen bleibt, dass es endlich zu einer Vollendung der Währungsunion mit Einsetzung einer europäischen Wirtschaftsregierung und mit bedeutender Ausweitung des EU-Haushalts kommt. Dazu gehört auch die Auflage von Europäischen Staatsanleihen zur Finanzierung von Infrastrukturprogrammen in den Mitgliedländern und die Aufhebung der Schuldenbremsen und Sparzwänge, um die öffentlichen Sektoren ausweiten zu können.