Bericht „Expert*innenratschlag Automobilindustrie“

14.10.2020
Manuela Kropp, Projektmanagerin RLS Brüssel

Dies war der zweite Expert*innenratschlag Automobilindustrie, den die Rosa-Luxemburg-Stiftung Brüssel organisiert hat. Aufgrund der notwendigen Pandemie-Schutzmaßnahmen konnte dieser Expert*innenratschlag jedoch nur online stattfinden.

Der Teilnehmer*innenkreis umfasste Gewerkschaften, Beschäftigtenvertreter*innen und Wissenschaftler*innen, die im Bereich der Transformation und Zukunft der Automobilindustrie forschen.

Durch die Coronapandemie und die darauffolgende wirtschaftliche Krise haben sich die Absatzzahlen der Autobauer verringert und die Autoindustrie weiter unter Druck gesetzt. So stehen nun an vielen Produktionsstandorten und in vielen Zulieferbetrieben Stellenkürzungen, Produktionsverdichtung und Kostensenkungen an. Im Rahmen des Expert*innenratschlags informierten sich die Teilnehmer*innen über anstehende Stellenkürzungen, Umstrukturierungen, geplante nationale Stützungsmaßnahmen von Seiten der Regierung bzw. ausbleibende Unterstützung. Im weiteren Verlauf des Workshops wurden notwendige Maßnahmen auf europäischer Ebene und internationaler Ebene diskutiert, wie z.B. eine gezielte europäische Industriepolitik zur Förderung der Elektromobilität, des ÖPNV, des Schienenverkehrs und neuer Mobilitätsdienstleistungen. Fast einhellig wurde ein „gerechter Übergang“ (just transition) für die Automobilindustrie gefordert. Problematisiert wurde, dass selbst im Falle eines erfolgreichen Aufbaus einer europäischen Batteriezellfertigung nur einige wenige europäische Mitgliedstaaten davon profitieren dürften und die wirtschaftlichen Ungleichgewichte in der EU zunehmen. Ein weiteres Problem stellt sich durch das Instrument der öffentlichen Beschaffung, solange es den privaten Unternehmen gestattet ist, ihren Produktionsstandort frei zu wählen. Besser wäre, hier die Rolle von öffentlichen Unternehmen zu stärken, auch und gerade, um durch die Produktion von Fahrzeugen für Schiene und ÖPNV vor Ort, in den verschiedenen europäischen Regionen, Arbeitsplätze schaffen zu können. Die ökologischen Folgen eines Ausbaus der Elektromobilität im motorisierten Individualverkehr wurden ebenfalls diskutiert, denn die Herstellung der Batterien ist sehr ressourcenintensiv – sowohl, was die verwendeten Rohstoffe betrifft als auch die Mengen an Energie, die für die Produktion notwendig sind. Weiterhin wurde die Rolle der Gewerkschaften und Betriebsräte diskutiert und eine bessere Kooperation auf europäischer und internationaler Ebene angemahnt.

 

Hintergrund

Aktuelle Herausforderungen für die Automobilindustrie und ihre Zulieferer

Die gesamte internationale Wertschöpfungskette der Automobilindustrie und ihre Zulieferer ist seit einigen Jahren in der Krise: aufgrund der COVID-19- Schutzmaßnahmen, den Überkapazitäten im Markt, der chinesischen Konkurrenz, aufgrund neuer Produkte und Dienstleistungen wie Elektroautos, geteilte Mobilität und autonomes Fahren, und aufgrund neuartiger Konsummuster der jüngeren Generation. Die Klimakrise und die steigenden CO2-Emissionen im Verkehrssektor kommen als zusätzliche Herausforderungen hinzu – sowohl auf globaler als auch lokaler Ebene.

Viele Unternehmen der Zulieferindustrie sowie die Autohersteller haben bereits mit Entlassungen von Beschäftigten begonnen, oder dies zumindest angekündigt. In vielen Fällen haben die Vertreter der Beschäftigten nur geringe Kenntnis über die Strategien der Hersteller bzw. der Unternehmensführung, oder sie konnten einiges in Erfahrung bringen, werden aber nicht in die Entscheidungsprozesse eingebunden. Die Fragen, auf die wir Antworten finden müssen, umfassen folgende Aspekte: wie können so viele Jobs wie möglich gesichert, wie können die Beschäftigten auf den Umstieg auf Elektroautos und neue Formen der Mobilität vorbereitet, wie können die Beschäftigten in die Strategie- und Entscheidungsfindung eingebunden, wie kann ein „gerechter Übergang“ (just transition) auf nationaler, europäischer und internationaler vorangetrieben, und wie kann die „Konversion“ der Industrie hin zu Fahrzeugen des ÖPNV und des schienengebundenen Verkehrs erreicht werden? Diese „Konversion“ hin zu einer ökologischen Mobilitätsindustrie birgt die Chance, einen zukünftigen Wettbewerbsvorteil für die Industrie und damit einhergehend zukünftige Beschäftigung zu sichern.

Im Rahmen des Expert*innenratschlags diskutieren Gewerkschafter*innen, Beschäftigtenvertrer*innen, Wissenschaftler*innen und Politiker*innen aus verschiedenen Ländern: Serbien, Ungarn, Slowenien, Tschechien, Slowakei, Italien, Schweden, Frankreich, Belgien, Spanien, Österreich, Deutschland.

 

Programm

10:00–10:10 Uhr Begrüßung: Andreas Thomsen, Direktor Rosa-Luxemburg-Stiftung Brüssel
10:10–10:20 Uhr Einleitung: Benjamin Denis (industriAll)

Erster Teil

10:20–11:30 Uhr Information und Meinungsaustausch zu den aktuellen Herausforderungen für die Unternehmen und Beschäftigten; Antworten der Hersteller und der Zulieferindustrie

Moderation: Manuela Kropp, RLS Brüssel

Zweiter Teil

13:00–14:30 Uhr Gerechter Übergang (just transition) für die Automobilindustrie und die Zulieferindustrie – wie kann dies erreicht werden?

Einleitung: Matteo Gaddi, Fondazione Claudio Sabattini
Moderation: Matteo Gaddi, Fondazione Claudio Sabattini

15:00–16:00 Uhr Schlussfolgerungen und nächste Schritte

Moderation: Manuela Kropp, RLS Brüssel