Das RLS-Büro Madrid und Ada Colau stellen das feministische Netzwerk Akafem vor

01.06.2021
María del Vigo, PR RLS Madrid

Ada Colau, Bürgermeisterin von Barcelona: „Feministische Netzwerke sind heute wichtiger denn je, auch als Struktur zur Selbstverteidigung“

Es ist ein Nadelöhr, an dem das RLS-Büro in Madrid schon seit einer ganzen Weile arbeitet: die Feminisierung bzw. Entpatriarchisierung der Politik. Dieses Konzept unterstützt die Weiterentwicklung jener radikaldemokratischen Basis, die von einer Intersektion zwischen Feminismen und neuen Formen des Politikmachens ausgeht. Nicht immer sind die Themen und Handlungsformen der Linken feministisch – ob intern oder in der öffentlichen Politikgestaltung in Institutionen. Für uns ist die Entpatriarchisierung kein identitäres Ziel, sondern eine Form der Demokratisierung von Institutionen und Organisationen. Wir wollen mit einer innovativen öffentlichen Politik das Leben in den Mittelpunkt stellen. Der neue spanische Munizipalismus hat rund um diesen Vorschlag weite Diskussions- und Handlungsfelder eröffnet.

Vor diesem Hintergrund haben wir am vergangenen 3. Mai Akafem vorgestellt, ein munizipalistisch inspiriertes, feministisches Netzwerk, das vom Länderbüro in Madrid unterstützt wird. Mit dabei waren Ada Colau, die Bürgermeisterin von Barcelona, María Eugenia Rodríguez Palop, Europaabgeordnete von Unidas Podemos, die bekannte ökofeministische Aktivistin Yayo Herrero sowie weitere Frauen, die das Netzwerk auf den Weg gebracht haben und mit munizipalistischen Veränderungsinitiativen an der institutionellen Politik beteiligt waren oder sind.

Akafem möchte einerseits politisch Einfluss nehmen, indem es Räume zum Nachdenken, Analysieren und Lernen schafft. Vor allem aber möchte Akafem zu einem Netzwerk der gegenseitigen Unterstützung werden, das einen Kristallisationspunkt für Dynamiken innerhalb der Politik bildet. Kurz gesagt: Es soll verhindert werden, dass Frauen und Feminist*innen aus Machträumen gedrängt werden oder sich angesichts patriarchaler Praktiken, die sowohl in politischen Organisationen als auch in Institutionen präsent sind, selbst ausschließen.

Colau, Palop und Herrero stimmten darin überein, dass Netzwerke wie Akafem vor allem aus zwei Gründen unentbehrlich sind, um die Präsenz feministischer Ideen in der Politik zu sichern: Das ist zum einen die Entpatriarchisierung der Institutionen und Organisationen und zum anderen die kollektive Selbstverteidigung angesichts der Angriffe von reaktionärer Seite. In diesem Sinne drückte Bürgermeisterin Ada Colau den Initiator*innen des Netzwerks – darunter dem Länderbüro Madrid – ihren Dank aus, weil es nach ihren Worten „dringend erforderlich ist, dass wir konstruktiv kritisieren, uns gegenseitig unterstützen, gemeinsam Fortschritte erzielen und zugleich als Struktur der Selbstverteidigung funktionieren“.

Kollektive Selbstverteidigung

Rodríguez Palop verwies ebenfalls auf die reaktionären Schikanen, denen Linke weltweit – und der Feminismus im Besonderen – ausgesetzt sind. Für sie ist es „normal, dass uns diejenigen angreifen“, die ihre Privilegien in Gefahr sehen. Das erklärte die Europaabgeordnete so: „Der Feminismus, den wir vorschlagen und der die Städte verändert, ist ein Feminismus, der alles verändert, der ambitioniert ist. Dieser Feminismus gibt sich nicht mit kurzfristigen Änderungen zufrieden, sondern strebt Veränderungen auf der strukturellen Ebene an. Der Einsatz für diese transversale Vision des Feminismus auf kommunaler Ebene hat die Arbeit, die Familie, die Bildung, die Gesundheit, das Wohnungswesen, den Urbanismus, die Mobilität und auch die Beziehung zu den Unternehmen beeinflusst. Anhand vieler Beispiele ist erkennbar geworden, wie sich der Feminismus seinen Weg in verschiedenste bis dato maskulinisierte Bereiche gebahnt hat, die vorher den Anschein erweckten, als könnten sie niemals von einer anderen Vision erobert werden.“ Aber so geschah es.

Im Einklang damit verwies Colau auf die veränderte Agenda sowie die radikalen und transformativen Netzwerke und Praktiken, die sowohl auf institutioneller als auch nicht-institutioneller Ebene entstanden sind, und betonte noch einmal, dass „der unwiderlegbare Beweis dafür die Reaktion der Konservativen ist, die immer dann wieder auftauchen, wenn sie ihre Privilegien bedroht sehen“.

Räume wie das Informations- und Orientierungszentrum Barcelona Cuida, das Concilia-Programm mit Kinderbetreuungsangeboten oder die Unidad Antidesahucios gegen Zwangsräumungen sind Beispiele für Initiativen, die das Rathaus von Barcelona ins Leben gerufen hat. Zwar haben die Rathäuser in diesen Belangen keine Kompetenzen, „[…] aber sehr wohl Zuständigkeiten“, wenn es darum gehe, Probleme zu lösen, von denen die Bevölkerung extrem betroffen sei, erklärte die Bürgermeisterin. Für Colau handelt es sich um Initiativen, die gestartet werden müssen, während zugleich „Druck ausgeübt wird, um die Wirtschaftsstrukturen zu verändern. Damit die Sorge füreinander in den Mittelpunkt gestellt werden kann, müssen Gesetze und die Struktur von Arbeit und Produktion verändert werden. Das sind gewaltige strukturelle Veränderungen, die nicht von den Städten abhängen. Dennoch sind wir entschlossen, nicht aufzugeben, denn es ist sehr wohl möglich, Prioritäten und Vorgehensweisen zu ändern und Bündnisse mit jenen einzugehen, die diese Transformationen vorantreiben.“ Auch wenn es nach Ansicht der Bürgermeisterin von Barcelona noch „sehr viel zu tun gibt“, verwies sie zugleich auf die „konkreten Maßnahmen, die es früher nicht gab, die aber jetzt vorgenommen werden und eine kollektive Errungenschaft sind, die anerkannt werden muss“.

Die eigenen Räume pflegen und entpatriarchisieren

Der Arbeitsaufnahme von Akafem als Unterstützungsnetzwerk ging ein Bericht voraus, der in den vergangenen Monaten von etwa 50 Frauen ausgearbeitet wurde. Darin haben sie heteropatriarchale Praktiken identifiziert, die die politische Partizipation von Frauen enorm erschweren. Bezogen auf diese Arbeit würdigte die Bürgermeisterin von Barcelona „diesen selbstkritischen Blick, um aus Fehlern, Grenzen und Unzulänglichkeiten zu lernen, der aber stets mit dem feministischen Fokus auf Verbesserung, Transformation, Befähigung und Nicht-Aufgeben einhergeht“, und forderte eine „konstruktive Selbstkritik mit Blick nach vorn“.

Colau betonte, wie wichtig es sei, die Räume zu pflegen, in denen Entscheidungen getroffen werden, und einen kontinuierlichen Verbesserungsprozess in der internen Funktionsweise von Organisationen in Gang zu halten. Sie erinnerte an die Notwendigkeit der „gemeinsamen Verantwortung und der Weiterbildung im Feminismus“ und erklärte, wie froh sie darüber sei, selbst einer Organisation wie Barcelona En Comú anzugehören, die in dieser Hinsicht eine bahnbrechende Rolle gespielt habe. So erklärte sie: „Nach all den harten Jahren, die wir erleben mussten, wäre es ohne die Rückendeckung einer feministischen Organisation nicht möglich, dort weiterzumachen, wo wir jetzt sind.“

Yayo Herrero bedauerte ihrerseits, dass gelegentlich politische Kulturen reproduziert würden, die von dem angedachten Wandel noch weit entfernt seien. Die Aktivistin erinnerte daran, dass „mit der Verteidigung einer Politik, die das Leben in den Mittelpunkt stellt“, auch eine Politik verteidigt werden müsse, die ohne emotionalen Panzer auskommt. Deshalb forderte sie die Schaffung von „stützenden Räumen, wo Menschen verletzlich sein können, ohne sich schwach zu fühlen. Räume zur Entwicklung einer kollektiven Stärke – nicht einer Stärke, die nur möglich ist, wenn du dich von dem, was du verändern möchtest, emotional entfernst und löst. Denn wir können Politik nur machen, wenn uns die Dinge weiter wehtun. Doch brauchen wir einen Raum, der auf gesunde Weise dafür sorgt, dass uns der Schmerz nichts anhaben kann.“ Im Einklang mit der Idee, eine Politik zu entwickeln, die das Leben in den Mittelpunkt stellt, setzte die Aktivistin noch einen weiteren Punkt auf die Liste mit Dingen, die es anzugehen gilt: die Zeit. Die ökofeministische Denkerin und Aktivistin verwies auf die dringende Notwendigkeit, „das Tempo der Politik zu verlangsamen, damit es mit dem Leben kompatibel wird“. Die derzeitige Geschwindigkeit, beklagte sie, „hat mit der Zeit, die feministische Reflexionen erfordern, wenig gemein“.

Die nächste offene Versammlung von Akafem ist für den 25. Juni angesetzt. Bei diesem Online-Treffen sollen die Teilnehmenden mit den erforderlichen Werkzeugen ausgestattet werden, damit das Netzwerk in seinem Gefüge unabhängig und basierend auf Versammlungen seine Arbeit aufnehmen kann. Es ist vorgesehen, erste Ziele zu definieren und Aufgaben und Verantwortlichkeiten zu verteilen. Außerdem sollen die einzelnen Knotenpunkte des Netzwerks in den verschiedenen Städten des Spanischen Staates kartografiert werden. Unter anderem ist auch die Gründung einer Denkfabrik im Gespräch, und es sind Austausch- und Schulungsaktivitäten angedacht.

Das gesamte Video kann (auf Spanisch) angesehen werden unter: https://youtu.be/JcyxQeMvsC0