Wer ist wer?

Die französische Linke und die Präsidentschaftswahlen

21.03.2022
Pauline Graulle, Mediapart

***Französische Version steht unten zum Download zur Verfügung***

Sechs Kandidat*innen der politischen Linken bewerben sich um das Präsidentenamt. Weder Hollandes ehemaliger Justizministerin Christiane Taubira, noch dem Trotzkisten Annasse Kazib noch Helene Thouy von der Tierschutzpartei „Parti animaliste“ ist es gelungen, die für die Teilnahme an den Präsidentschaftswahlen erforderlichen 500 Patenschaften zu vereinen.

Es haben sich nun drei Blöcke herauskristallisiert: einerseits die von Jean-Luc Mélenchon und dem Kommunisten Fabien Roussel vertretene Linke „des Umbruchs“. Andererseits zwei Kandidaturen, die sich um eine stärker sozialdemokratische Wählerschaft bemühen, nämlich die von Grünen Yannick Jadot und der Sozialistin Anne Hidalgo, und schließlich ein revolutionärer und trotzkistischer Block, vertreten durch Philippe Poutou und Nathalie Arthaud.

Die Anhänger einer Linken „des Umbruchs“

Jean-Luc Mélenchon, La France insoumise (LFI)

Wie sein Mentor François Mitterrand nimmt auch der Kandidat der Partei „La France insoumise“ (auf Deutsch: Das unbeugsame Frankreich) zum dritten Mal an einer Präsidentschaftswahl teilnimmt. 2012 übernahm er als Anführer der Linksfront und 2017 als Parteichef der LFI die Führung einer Koalition mit der Kommunistischen Partei Frankreichs, die sich diesmal von der Vormundschaft des ehemaligen Sozialisten emanzipiert hat.

2017 hatte Jean-Luc Mélenchon seine Strategie des „Linkspopulismus“ eingeführt. An der Spitze von „La France insoumise“ (seiner 2016 als Wahlkriegsmaschine konzipierten Bewegung) entwickelte er sich zum charismatischen Führer seines politischen Lagers und wollte das „Volk“ gegen die „Oligarchie“ vertreten. Als er die politischen Banner gegen die blauweißroten Fahnen austauschte, versuchte er, einen offenen Bruch mit der fünfjährigen Präsidentschaft Hollandes zu verkörpern und gleichzeitig die „fâchés pas fachos“ (auf Deutsch: die nicht faschistischen Verärgerten) für sich zu gewinnen.

Schließlich ließen sich die Wähler*innen, die versucht waren, für die extreme Rechte zu wählen, nicht massiv von seiner Kandidatur überzeugen, deren Erfolg (19 % im 1. Wahlgang, das höchste Ergebnis für die „radikale“ Linke der Fünften Republik) in Wirklichkeit auf die Dynamik der „taktischen Wahl“ zurückzuführen ist, die er heute wiederzubeleben versucht und die 16 % der Wähler*innen überzeugen konnte, die 2012 für François Hollande gestimmt hatten. Dem Unbeugsamen wird es jedoch „wegen bloßen 600 000 Stimmen“ nicht gelingen, in den 2. Wahlgang zu gelangen – so drücken es die Vertrauten von Jean-Luc Mélenchon aus, die der Ansicht sind, dass sich die für den Zugang zum zweiten Wahlgang notwendige Stimmenreserve bei den unteren Gesellschaftsklassen befindet.

Die Nichtwähler*innen zu den Urnen bringen: Das ist jetzt die Priorität der Unbeugsamen, die sich im neuen politischen und strategischen Rahmen der „Union populaire“ (auf Deutsch: Volksunion) versammelt haben. Fünf Jahre lang hat sich Jean-Luc Mélenchon, der sich 2017 zum Abgeordneten von Marseille wählen ließ, immer wieder an dieses Wahlsegment gewandt. Ende 2018 hat er den «Gelbwesten»-Aufstand ohne Komplexe unterstützt und sich dann dem Dialog mit den unteren Volksschichten mit Migrationshintergrund verschrieben – unter anderem durch die Teilnahme an einer Demonstration gegen Islamophobie im November 2019.

Er setzte sich Anfang 2020 weiterhin mit Leib und Seele für die Mobilisierung gegen die Rentenreform ein und machte sein Bestreben, wieder die Rente mit 60 Jahren einzuführen (vorbehaltlich 40 Jahre Beitragszahlungen), zu einem der Eckpfeiler seines Programms. Während der Covid-Zeit, zu deren Beginn er öffentlich seine Zweifel an mRNA-Impfstoffen äußerte, zeigte er volle Unterstützung für die Bewegung der Gegner des Impfpasses und später für die kurzlebigen „Freedom Convoys“.

Eine Linie, die von der übrigen Linken und den Grünen manchmal als „konfusionistisch“ angesehen wird, während der Unbeugsame paradoxerweise wieder mehr eine klassische Linke vertritt, die größtenteils von ihrem alten populistischen Schnickschnack bereinigt wurde. Jean-Luc Mélenchon, der 2017 beschuldigt wurde, ein Euroskeptiker zu sein, übernimmt sein Wahlprogramm 2017 „Avenir en commun“ (auf Deutsch: Gemeinsame Zukunft) beinahe zur Gänze, hat jedoch die Aussicht auf einen Austritt aus der Europäischen Union aufgegeben und zieht nun der Hypothese eines Frexit einen einfachen „Ungehorsam“ gegen Verträge über das Opt-out-System vor.

Er hat auch einige Punkte aus seinem Programm genommen, die 2017 zu Kontroversen führten, wie etwa die Aufnahme in die ALBA (Bolivarianische Allianz für Amerika), die sein Wahlkampfende vergiftet hatte. Außerdem hat er versucht, den „ökologischen“ Teil seines Projekts zu stärken, um den Aufstieg der von Yannick Jadot geführten Grünen zu verhindern. Der Begriff der ökologischen „Abzweigung“ wurde somit an die Stelle des „Übergangs“ gesetzt – was eine Bereitschaft zu einem eindeutigeren Bruch mit dem Produktivismus suggeriert – ein Ziel, das „La France insoumise“ mit der Methode der „Planung“ zu erreichen gedenkt, die auf mehreren territorialen Ebenen angesiedelt ist. Auch der Atomausstieg bis 2045 ist geplant.

Einige umstrittene Aspekte seines Programms bleiben jedoch bestehen. Auf internationaler Ebene bleibt der ehemalige Trotzkist auf einer sehr anti-atlantischen Linie, verteidigt einen NATO-Austritt und befürwortet die „Bündnisungebundenheit“. Er weigert sich auch, seine potenziellen Verbündeten als Präsident zu verurteilen, nämlich China und Russland. Seine „Nachsichtigkeit“ gegenüber dem russischen Regime, die er während des Krieges in Syrien und der Annexion der Krim 2014 an den Tag legte, wird ihm nun, wo der Krieg in der Ukraine wütet, stark vorgeworfen.

Wird dadurch das Potenzial des Kandidaten, zu vereinen, beeinträchtigt? Die letzten fünf Jahre waren nicht einfach. Nach den Durchsuchungen im Oktober 2018, die für sein Image als „Präsidentschaftskandidat“ verheerend waren, wurde der Chef der Unbeugsamen 2019 mit dem Ausscheiden eines Teils seiner engsten Mitarbeiter konfrontiert, die den internen Mangel an Demokratie in der „Wischiwaschi“-Bewegung La France insoumise, in der die Mitbestimmung nicht formal geregelt ist, anprangerten.

Auch bei allen Zwischenwahlen musste die Bewegung von Mélenchon Wahlschlappen hinnehmen: Bei den Europawahlen 2019 erreichte die Bewegung nur 6 % der Stimmen. Ein Misserfolg, der dazu führte, dass die Bewegung 2020 die Kommunalwahlen und ein Jahr später die Regional- und Departementswahlen lediglich als weitere Hürden auf dem Weg hin zur Präsidentschaft überwand.

Der Abgeordnete des Departements Bouches-du-Rhône kann jedoch stolz darauf sein, sich von nun an auf zwei dynamische parlamentarische Gruppen stützen zu können (17 Mitglieder der Partei „La France insoumise“ in der Nationalversammlung, 6 Europaabgeordnete im Europäischen Parlament). Er hat sich mit seinem im vergangenen Dezember ins Leben gerufenen „Parlement de l‘union populaire“ (auf Deutsch: Parlament der Volksunion) umgeben, in dem zahlreiche Persönlichkeiten der Zivilgesellschaft, aber auch Grüne und Kommunisten vertreten sind, die sich von ihren eigenen Parteien losgesagt haben. All diese neuen Figuren möchte Jean-Luc Mélenchon in seinem Wahlkampfteam als Beweis dafür präsentieren, dass er nun die einzige Zentripetalkraft auf der linken Seite ist.

Fabien Roussel, Französische Kommunistische Partei

Fabien Roussel wurde 2019 zum Nationalsekretär der Partei gewählt, um den Aktivisten den „kommunistischen Stolz“ zurückzugeben, und scheint diese Aufgabe bereits erfüllt zu haben. Nach fünfzehn Jahren Abwesenheit bei der Präsidentschaftswahl – die Französische Kommunistische Partei ist hinter der Kandidatur von Jean-Luc Mélenchon 2012 und dann 2017 zurückgestanden – glauben die Kommunisten, dass die Stunde der Revanche gekommen sei.

Fabien Roussel startete aus dem Nichts (die Französische Kommunistische Partei erhielt 2019 bei den Europawahlen weniger als 3 % der Wahlstimmen) und kletterte in den Meinungsumfragen langsam aber sicher hoch, bis er schließlich die sozialistische Kandidatin überholte. Sein Rezept? Die Verkörperung der vom Philosophen Michaël Foessel theoretisierten „Linken des Vergnügens“, indem er Frankreich „glückliche Tage“ verspricht (seine „Baseline“ im Wahlkampf, ein Verweis auf den Titel des Programms des nationalen Widerstandsrates), und seine heftige Kritik der Linken von Quinoa und Windenergieanlagen. Der Kommunist, der die Atomkraft befürwortet, ist sehr mediengewandt und hat Aufsehen erregt, weil er „gutes Fleisch, guten Wein und guten Käse“ verteidigt hatte. Er hat seinen Stil, der an Rabelais erinnert oder vielleicht einfach nur typisch französisch ist, gegen seine linken und vor allem grünen Konkurrenten durchgesetzt, die die Notwendigkeit der Enthaltsamkeit im täglichen Verbrauch – Energie, Ernährung, Transport etc. – betonen.

Obwohl sein eindeutig links angesiedeltes Projekt dem von Jean-Luc Mélenchon sehr ähnlich ist – Rente im Alter von 60 Jahren, Bereitschaft, aus den EU-Verträgen auszusteigen, massive Investitionen in öffentliche Dienstleistungen – versucht der kommunistische Kandidat konsequent, sich von seinem ehemaligen Verbündeten zu distanzieren, zu dem die Beziehungen seit 2017 sehr angespannt sind. So hob er sich klar ab, als er während der Covid-Krise für die Impfpflicht eintrat oder auch während des Krieges in der Ukraine: Er zeigte sich unnachgiebig gegenüber dem Kreml und hat, zumindest kurzfristig, alle Bestrebungen aufgegeben, die NATO zu verlassen.

In der Überzeugung, dass die unteren Volksschichten Ordnung verlangen, hat sich Fabien Roussel darüber hinaus darauf konzentriert, sich Themen wie die Sicherheit, Republik oder den Säkularismus zu eigen zu machen, die allgemein rechts eingestuft werden. So sah man ihn am 19. Mai 2020 bei der von der rechtsgerichteten Polizeigewerkschaft Alliance organisierten Demonstration, Seite an Seite mit der extremen Rechten, aber auch mit Yannick Jadot und der sozialistischen Partei. Eine Beteiligung, die ihm von einem Teil seiner Truppen vorgeworfen wurde.

Ein weiterer Stein in seinem Schuh waren die Enthüllungen von Mediapart über seine angebliche Scheinbeschäftigung als parlamentarischer Assistent des Abgeordneten Jean-Jacques Candelier im Norden. Heute bestreitet der Abgeordnete von Saint-Amand-les-Eaux vehement, dass er für die Partei auf Rechnung der Nationalversammlung gearbeitet habe.

Die sozialdemokratischen Kandidaturen

Anne Hidalgo, Sozialistische Partei

Seit ihrer offiziellen Kandidatur im Herbst 2021 führt Anne Hidalgo eine Kampagne, die einem Kreuzweg gleicht. Dabei hatte alles halbwegs gut begonnen: Mit Unterstützung eines Teams junger sozialistischer Bürgermeister konnte die Pariser Bürgermeisterin, die 2020 mit großer Mehrheit wiedergewählt wurde, argumentieren, in der Hauptstadt die von ihr behauptete „Sozialökologie“ umgesetzt zu haben und damit faktisch mit dem Angebot von Yannick Jadot in Wettbewerb zu treten.

„Ich will nicht nur die Ökologie, sondern die gerechte Ökologie“, erklärte die Frau, die einige symbolträchtige Kämpfe in Paris gewonnen hat, wie die Umwandlung der Uferstraßen in Fußgängerzonen, das Verbot von Dieselfahrzeugen und den Ausbau von Radwegen.

Doch ihr Wahlkampf, im dem sie im vergangenen September eine Wahlabsicht von 10 % erzielte, ist zusammengebrochen. Derzeit liegt die Wahlabsicht für Anne Hidalgo unter den 5 %, die für die Rückerstattung der Kosten der Wahlkampagne erforderlich sind, und innerhalb der ohnehin bereits schlappen Sozialistischen Partei hat sich große Sorge breit gemacht. In den letzten Wochen haben einige frühere Minister von François Hollande wie François Rebsamen (ehemaliger Wirtschaftsminister) und Marisol Touraine (ehemalige Gesundheitsministerin) angekündigt, die Kandidatur von Emmanuel Macron zu unterstützen. Auch Ségolène Royal, die sozialistische Kandidatin der Präsidentschaftswahlen 2007, ließ ihre Nachfolgerin fallen und ließ verlauten, dass die einzige taktisch sinnvolle Wahl 2022 jene für Jean-Luc Mélenchon sei.

Wie lässt sich ein solches Fiasko erklären, wo doch die Sozialdemokratie in den letzten Jahren in Deutschland, Spanien und Portugal wieder (relativ) gut dasteht? Zunächst gab es diesen gescheiterten Wahlkampfauftritt, der von dem Versprechen der Verdoppelung der Lehrergehälter überstrahlt wurde, das von den Bildungsgewerkschaften selbst als unhaltbar erachtet wird und die Glaubwürdigkeit der Kandidatin schädigte. Vor allem aber trägt sie, die ständig von der „Sozialdemokratie“ spricht, die Bilanz der fünfjährigen Amtszeit von François Hollande als Bürde mit sich.

Dabei hat sie durchaus versucht, sich von seiner Amtszeit, die von seiner Austeritätspolitik und Arbeitsrechtsreform gekennzeichnet und dem Staatsbürgerschaftsentzug befleckt waren, abzuheben. In ihrem Programm verspricht die Sozialistin, wie alle ihre Konkurrenten der Linken, die Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns (um 15 %), Mittel zur Bekämpfung von Diskriminierung oder die Wiedereinführung von vier Beschwerlichkeitskriterien für die Berechnung der Renten (wobei der Großteil der Reformen jedoch beibehalten wird). Für 18- bis 25-Jährige schlägt sie die Einführung einer „Sozialhilfe für Jugendliche“ (Minimum jeunesse) und einer Kapitalausstattung in Höhe von 5000 Euro vor.

Doch Anfang 2022 wurde die Kandidatin von den weiterhin aktiven Anhängern von Hollande der SP eingeholt, allen voran dem früheren Innenminister Bernard Cazeneuve, der ihren Wahlkampfausschuss präsidiert. Es ist nicht sicher, ob diese Rückkehr zu den Ursprüngen – manche sprechen von einer Rückkehr in die Vergangenheit – der „Regierungslinken“ dazu geeignet ist, die Skeptiker zu beruhigen.

Yannick Jadot, die Grünen

Nach seinem (relativen) Erfolg bei den Europawahlen, wo er die Liste Europe Ecologie-Les Verts (EELV) angeführt hatte, die mit 13,5 % der Stimmen unten den linken Parteien am besten abschnitt, wurde der Europaabgeordnete Yannick Jadot im vergangenen Herbst zum Präsidentschaftskandidaten der Grünen ernannt.

Ein Erfolg, der durch zwei Jahre intensive Arbeit innerhalb und außerhalb seiner Partei zustande gekommen ist. Was die Parteipolitik anbelangt, hat sich der Umweltschützer 2019 dafür eingesetzt, den „grünen Pol“ zu bilden, der Umweltschützer aus allen politischen Richtungen zusammenbringen sollte – so gehörte z. B. Delphine Batho, die Abgeordnete und ehemalige Ministerin von François Hollande, diesem Pol an –, obwohl die Tierschutzpartei „Parti animaliste“ die Einladung ablehnte, der Koalition beizutreten. Was seine Medienpolitik anbelangt, hat sich Yannick Jadot eine Statur als „Präsidentschaftskandidat“ aufgebaut und vermehrt an Morgensendungen und anderen politischen Sendungen teilgenommen.

Angesichts eines angeschlagenen Jean-Luc Mélenchon ging der Vertreter des grünen Lagers, der bei den letzten Kommunalwahlen in einem Dutzend großer Städte siegreich hervorging, als Favorit der Linken in die Präsidentschaftswahl. In seinem Programm: massive Investitionen in erneuerbare Energien (Inbetriebnahme von 3000 Festland-Windparks und 340 km2 zusätzlicher Solarmodule bis 2027, Verstaatlichung der EDF, Plan von 10 Milliarden pro Jahr für die energetische Renovierung von Wohnungen, Abschaffung von Flugverbindungen, wenn die Zugfahrt in weniger als vier Stunden möglich ist, aber auch Ausstieg aus der industriellen Tierhaltung bis 2025, Verbot von Neonicotinoiden, Glyphosat und Pestiziden etc.). Was die Sozialpolitik anbelangt, verspricht er die Schaffung einer Solidaritätssteuer auf Vermögen, die an die CO2-Bilanz gebunden ist (ISF climatique), die Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns um 10 % und die Einstellung von 65 000 Lehrern.

Ein ökologisches, linkes Programm also, das die Wähler*innen von 2017 hätte begeistern können. Sein Wahlkampf hat jedoch die Erwartungen nicht erfüllt. Die Vorwahlen der Grünen, bei denen er gegen die Outsiderin Sandrine Rousseau einen knappen Sieg erringen konnte, war nicht das erhoffte Sprungbrett. Außerdem vertritt Yannick Jadot eine Partei, die, was den Inhalt anbelangt, dem „Präsidententum“ grundsätzlich kritisch gegenübersteht und, was die Form betrifft, wenig Erfahrung damit hat – die EELV schloss sich 2017 Benoît Hamon an.

Nun ist der Grüne, der versucht hat, seine offene Politik für die Aufnahme von Migranten oder seine Anti-Jagd-Einstellung zu verdeutlichen, in einem Medienfeld, in dem die Rechte und die extreme Rechte ihre Agenda aufzwingen, kaum zu hören. Andererseits ist er bei seinen Lieblingsthemen der Konkurrenz des dynamischen Jean-Luc Mélenchon ausgesetzt, der die Fragen des Klimawandels oder des Tierschutzes zur Stärke seiner Doktrin gemacht hat.

Schließlich muss der Kandidat damit zurechtkommen, dass als Antwort auf die Notwendigkeit, aus fossilen Energien auszusteigen, der atomenergiefreundliche Diskurs mehr und mehr Anhänger findet, auch bei einem Teil der Linken. Ist dies ein Zeichen dafür, dass die französischen Grünen den kulturellen Kampf noch lange nicht gewonnen haben, obwohl sich die beunruhigenden Berichte des Weltklimarats (IPCC) häufen?

Die „grüne Welle“, die die Umweltschützer in den letzten Kommunalwahlen getragen hat, scheint zusammengefallen zu sein. Und obwohl die Grünen auf einen „Logo-Effekt“ setzen, um die Wählergunst auf der Zielgeraden des Wahlkampfs zu verbessern, ist festzustellen, dass die Kandidatur von Yannick Jadot die Ökologie nicht als eindeutigen politischen Ausweg auf nationaler Ebene durchsetzen konnte.

Die linksextremen Revolutionäre

Philippe Poutou, NPA / Nathalie Arthaud, Lutte Ouvrière

Die trotzkistische Familie wird, wie bei jeder Präsidentschaftswahl seit 2002, zwei Kandidaten im Rennen haben. Nathalie Arthaud wird zum zweiten Mal die Partei Lutte Ouvrière (auf Deutsch: Arbeiterkampf) vertreten. Gleiches gilt für Philippe Poutou von der NPA (ehemals LCR), der es geschafft hat, die 500 für seine Kandidatur notwendigen Patenschaften in extremis zusammenzubringen.

Dank seiner offenen Ausdrucksweise und Entspanntheit hatte dieser außergewöhnliche Kandidat frischen Wind in die Kampagne 2017 gebracht. Man erinnert sich insbesondere an seine berühmte Punchline „Wenn wir von der Polizei vorgeladen werden, haben wir keine Arbeiter-Immunität“, die er während einer Fernsehdebatte an Marine Le Pen richtete, die von der Justiz im Fall der parlamentarischen Assistenten vorgeladen worden war und ihre „parlamentarische Immunität“ angeführt hatte, um nicht zum Termin zu erscheinen.

Trotz einiger Geniestreiche scheint die französische revolutionäre Linke dennoch weiter zu erlahmen. Unfähig, sich zu erneuern, hatte Lutte Ouvrière in den letzten Jahren Probleme, das Ausmaß der sozialen Bewegungen („Gelbwesten“, antirassistische Proteste etc.) zu erfassen. Was die NPA anbelangt, ist sie zwar stark im Feld der Kämpfe verankert, hat jedoch unter ihren internen Differenzen gelitten, sodass in der Person von Annasse Kazib – dem Anführer der „Révolution permanente“ (auf Deutsch: Permanente Revolution), einer kleinen Partei, die 2017 aus einer Spaltung der NPA entsprungen ist – ein Konkurrent hervorgegangen ist. Auch wenn er aufgrund fehlender Patenschaften im Präsidentschaftsrennen gestoppt wurde, klingt die Kandidatur dieses in den Medien stark präsenten „rassisierten“ und populären Eisenbahnbeschäftigten, der sich als im Einklang mit der heutigen Arbeiterwelt stehend präsentiert, dennoch wie eine Warnung.

Mit anderen Worten: Nichts ist entschieden

Wie stehen die Chancen der Linken, das Elysée zu erobern, mitten im Ukrainekonflikt, in dem der „Rally around the flag“-Effekt dem Präsidenten zugutekommt, der in einer Woche 8 Punkte in den Meinungsumfragen gewann?

Anfang März überholte Jean-Luc Mélenchon Valérie Pécresse in den Meinungsumfragen. Der unbeugsame Kandidat setzte sich somit als einziger Kandidat durch, der eine Chance hat, in den 2. Wahlgang zu gelangen. Während seit Monaten das Aufeinandertreffen von Macron und Le Pen im zweiten Wahlgang als am wahrscheinlichsten galt, könnte die Frage der „taktischen Wahl“ bei den Linken am Ende des Wahlkampfs nun voll zum Tragen kommen: „Es ist ein anderer zweiter Wahlgang möglich“, sagte Jean-Luc Mélenchon am 9. März auf einer Pressekonferenz und betonte, dass dieses Szenario, das eine „klassische“ Kluft zwischen Links und Rechts wiederherstellt, dem „Interesse des Landes“ zugutekommen würde, da sich die Debatten um „grundlegende Themen“ wie Schule, Renten oder öffentliche Dienstleistungen drehen würden, während eine Debatte zwischen Macron und der extremen Rechten zu Überbietungen in Sicherheits- oder Einwanderungsfragen führen würde.

Dazu „haben wir noch einen Monat, um 3 bis 4 Punkte zuzulegen“, betont Manuel Bompard, Wahlkampfleiter von Jean-Luc Mélenchon, der glaubt, dass er auf der Zielgeraden die Stimme eines Teils der kommunistischen und grünen Wählerschaft gewinnen kann.

Mit anderen Worten: Nichts ist entschieden.

Über die Autorin

Nach dem Studium der Kunst und Soziologie war Pauline Graulle zehn Jahre lang Journalistin bei der Wochenzeitung Politis. Sie kümmerte sich um die Rubrik „Soziales“ und dann die Rubrik „Politik“. Seit 2018 arbeitet sie in Mediapart, wo sie über die Aktualität der französischen Linken berichtet.

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