Europa muss sich seiner eigenen Kultur bewusst werden

31.07.2010
Luciana Castellina

Ich möchte meine Rede mit einer Bemerkung beginnen, die keinen direkten Bezug zu „Kultur“ hat, aber ich denke, dass man an einer etwas dramatischen Feststellung nicht vorbeikommt: Wir erleben derzeit einen Niedergang Europas und der Rolle Europas. Es fehlt die Dynamik; die Bürger verstehen die EU nicht.

Zwei sehr unterschiedliche Menschen haben mir etwas Denkwürdiges mitgeteilt. Der erste ist einer unserer Freunde, die für das Weltsozialforum arbeiten und überall auf der Welt Treffen veranstalten, insbesondere bei den Sozialforen in Afrika und Lateinamerika. Er meinte zu mir: „Weißt du was? Niemand will mehr etwas von Europa wissen. Europa, was ist Europa? Was hat Europa schon getan? Die Süd-Süd-Beziehungen interessieren uns viel mehr. Also mit Asien, aber Europa…“. Ein ganz anderer Mensch als meine Freunde vom Weltsozialforum ist meine Tochter. Meine Tochter ist Wirtschaftswissenschaftlerin und lehrt an der London Business School, welche in Kontakt mit der Universität in Dubai steht. (Apropos Universität in Dubai: Früher gingen die Studenten zum Studieren nach London, heute begeben sich die Dozenten aus London nach Dubai, um dort zu unterrichten. Sie „kaufen“ die Dozenten, damit diese direkt zu ihnen kommen.) Also, meine Tochter sagte mir, dass die Schüler aus Dubai, die arabischen und türkischen Eliten, nicht einmal etwas von Europa hören wollten. Sie meinten: „Europa? Was ist Europa? Europa ist tot!“ Und die Türken fügten hinzu: „Der EU beitreten? Nein, die wollen uns nicht, und außerdem ist es uns total egal, ob wir beitreten oder nicht! Uns interessieren viel mehr Asien, China, die Vereinigten Staaten…“.

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