Die politische Linke in Deutschland und die europäische Sparpolitik

Herausforderungen und Debatten im vierten Krisenjahr

30.09.2012
Anna Striethorst und Moritz Kirchner
Bild: La Curieuse Compagnie / Fête de l'huma' 2012 / Flickr / CC BY-ND 2.0

Beitrag zur Fête de l'Humanité, Paris

Die drastischen Sparmaßnahmen, wie sie unter anderem in Griechenland und Spanien ergriffen wurden, der ESM und die Neuorganisation der europäischen Institutionen werden bleibende Auswirkungen auf die Zukunft der Europäischen Union haben. Bei der Durchsetzung dieser Entscheidungen hat die deutsche Regierung eine markante Stellung eingenommen und sich letztlich für ein Europa unterschiedlicher Geschwindigkeiten ausgesprochen. Vor diesem Hintergrund setzen viele Linke in Europa ihre Hoffnungen auf die Fähigkeit der deutschen Linken, eine Wende in der öffentlichen Meinung herbeizuführen – gegen den Sparkurs und für mehr Solidarität innerhalb Europas.

Zum gegenwärtigen Zeitpunkt scheint ein solches Szenario allerdings mehr als unwahrscheinlich. 66 Prozent der Deutschen stehen hinter der Politik von Kanzlerin Merkel, die deutsche Interessen in den Mittelpunkt rückt. Die Chancen, eine Bewegung gegen den derzeitigen Siegeszug der konservativen Regierung zu schaffen, scheinen nicht besonders gut zu stehen. Daher wird sich dieser Beitrag auf zwei Fragen konzentrieren: Welche Herausforde-rungen muss die Linke in Deutschland bei ihrem Versuch bewältigen, ein Bündnis gegen die Sparpolitik aufzubauen? Und welche Vorschläge zur Krise und zur Europäischen Union werden zurzeit in der Partei DIE LINKE debattiert?

Welchen aktuellen Herausforderungen steht die Linke in Deutschland also gegenüber? Erstens ist festzuhalten, dass die Auswirkungen der Krise entgegen aller Erwartung in Deutschland noch nicht zu spüren sind. Ironischerweise hat sich die Wirtschaftslage in den vergangenen Jahren sogar leicht verbessert, und die Arbeitslosenzahlen sind rückläufig. Im Gegensatz zu anderen Ländern in Europa gab es in Deutschland keine plötzlichen Kürzungen der öffentlichen Ausgaben. Im Gegenteil: Unter dem Diktat der Sparsamkeit sind der Bevöl-kerung bereits während des gesamten vergangenen Jahrzehnts Einschnitte öffentlicher Ausgaben auferlegt worden. Folglich standen die Menschen in Deutschland bereits in den Jahren vor 2008 unter dem Eindruck einer ständigen Krise.

Die neoliberalen Reformen des letzten Jahrzehnts hatten nicht nur eine massive Umverteilung des Wohlstands von unten nach oben zur Folge. Auch zählt der Außenhandelsüberschuss, den sie hervorgebracht haben, zu den Hauptgründen für den wirtschaftlichen Abschwung in den europäischen Peripherieländern. Trotzdem fällt es vielen Deutschen schwer zu akzeptieren, dass all ihre Opfer umsonst gewesen sein sollen oder gar zu Schaden geführt haben. Stattdessen lässt man die Reformen der Sozialleistungen, die Stagnation der Löhne und die Ausbreitung von niedrig bezahlten und prekären Beschäftigungsverhältnissen heutzutage sogar als Erklärungen für das Durchhaltevermögen der deutschen Wirtschaft während der Krise gelten.

Alles in allem hat das Ausbleiben von drastischen Sparmaßnahmen in Deutschland bislang einen öffentlichen Aufschrei verhindert. Sicherlich mag es Befürchtungen geben, dass eine gemeinsame Haftung für Schulden innerhalb der Eurozone zu gegebener Zeit auch den deutschen Staatshaushalt in Mitleidenschaft ziehen könnte. Und 85 Prozent der Deutschen glauben, dass das Schlimmste erst noch kommt. Derartige Befürchtungen haben sich bisher jedoch nicht in politischen Protest verwandelt.

So hatten die großen Protestbewegungen, die es in den letzten zwei Jahren in Deutschland gab, in erster Linie nichts mit der Krise zu tun. Stattdessen ging es dabei um die Zukunft der Atomenergie und den Umbau des Stuttgarter Bahnhofs. Die einzige Ausnahme bildeten die Demonstrationen in Frankfurt im Mai 2012, an denen sich 30.000 Menschen beteiligten. Diese Proteste brachten SympathisantInnen der Occupy-Bewegung, GegnerInnen der europäischen Sparpolitik und AktivistInnen gegen den Abbau des deutschen Sozialstaats zusammen.

Zweitens lässt sich feststellen, dass zurzeit noch ein festes Bündnis der Parteien im Deutschen Bundestag (außer der LINKEN) und den Gewerkschaften gibt, das versucht Deutschlands Interessen in der Krise zu beschützen. Traditionell sind die Gewerkschaften in der deutschen Politik stark in korporatistische Strukturen eingebunden, und sie haben sich dem Protestbündnis „Wir zahlen nicht für eure Krise“ bisher nicht angeschlossen. Anstatt zu Streiks und Protesten aufzurufen, setzen sie ihre Hoffnungen derzeit noch auf konsensorien-tierte Vereinbarungen in ihren Unternehmen. Indem sie moderate Tarifverträge akzeptieren, tragen sie aktiv dazu bei, dass die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie erhalten bleibt, während ihre europäischen KollegInnen unter Massenentlassungen leiden. Und als Begleiterscheinung gibt es in Deutschland keinen Anstieg der Nachfrage zu verzeichnen, von dem auch die Volkswirtschaften in den GIIPS-Staaten profitieren könnten.

Allerdings sind auch einige positive Signale zu verzeichnen: Im Frühjahr 2012 gab es Warnstreiks im öffentlichen Dienst; außerdem wurden Kampagnen für einen gesetzlichen Mindestlohn und für die gleiche Bezahlung von LeiharbeiterInnen organisiert. Die jüngste Kampagne „Umfairteilen” wird getragen von einem repräsentativen Zusammenschluss von Gewerkschaften und Interessengruppen, die sich für soziale Belange einsetzen. Das Bündnis fordert eine stärkere Besteuerung von hohen Einkommen und hat bereits viel öffentliche Unterstützung und Medienaufmerksamkeit erfahren.

Drittens ist zu beachten, dass die Debatte in Deutschland moralisch aufgeladen und durch ein hohes Maß an Nationalismus gekennzeichnet ist. Schon der Begriff „Schulden“ weist in der deutschen Sprache eine Eigentümlichkeit auf: „Schulden“ und “Schuld” haben den gleichen Wortstamm. Diese negative Konnotation haben die Regierung und die Massenmedien mehr als nur einmal missbraucht. So ist es ihnen in den letzten vier Jahren gelungen, einen Diskurs zu befördern, der Staatsverschuldung als Folge von Charakterschwäche, unverantwortlicher Ausgabenpolitik, Korruption und Faulheit darstellt. Unter solchen Umständen ist die Zustimmung zu einem Sparkurs – der ja schlicht nichts anderes als eine strenge Ausgabenpolitik mit dem Ziel eines ausgeglichenen Haushalts bedeutet – zu einer Frage der Ehre geworden. Deutschlands eigene Schulden werden unterdessen taktisch unter den Teppich gekehrt. Die Kanzlerin ging sogar so weit, als Vorbild für die Ausgabenpolitik eines Staates die „schwäbische Hausfrau“ zu bewerben – eine Frau vom Land, die nicht über ihre Verhältnisse lebt und sich von Krediten stets fernhält.

Ferner werden nationaler Chauvinismus und Arroganz durch die Boulevardpresse begünstigt. So heizt etwa die BILD-Zeitung, die täglich von mehr als 12 Millionen Menschen gelesen wird, den Unmut gegenüber Griechenland zusätzlich an. Ihre Schlagzeile „Verkauft doch eure Inseln, ihr Pleite-Griechen“ war lediglich der Höhepunkt einer lang anhaltenden Kampagne, die erfolgreich von dem eigentlichen Problem abgelenkt hat: nämlich der Not-wendigkeit, das Haftungssystem innerhalb der Europäischen Union neu zu strukturieren. Die Tatsache, dass andere Medien mit auf den fahrenden Zug aufgesprungen sind, deutet an, welch großen Wert die deutschen Kapitalfraktionen darauf legen, eine solche Neustrukturierung zu verhindern. Durch das Vorgehen der Medien wird jedenfalls derzeit sichergestellt, dass die Regierung Merkel mit ihrem Sparprogramm für Griechenland weitermacht.

Zusammenfassend kann man also sagen, dass in Deutschland zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch zu wenig Bewusstsein für die Krise herrscht. Die Proteste bleiben schwach, und die Debatte in den deutschen Medien zeugt von fehlender Solidarität mit den europäischen Nachbarn im Süden. Vor diesem Hintergrund überrascht es nicht, dass die Krise in Deutschland bisher nicht – wie in einigen anderen europäischen Ländern, z.B. Griechenland, der Tschechischen Republik und Island – zu einer Stärkung der Linken geführt hat. Zurzeit steht DIE LINKE in Umfragen bei 9 Prozent. Im Vergleich zu den Umfragewerten aus der jüngeren Vergangenheit ist dies zwar ein Zuwachs; jedoch bleibt das Ergebnis immer noch hinter den 12 Prozent zurück, die die Partei bei den Wahlen 2009 erreicht hat. Dieser leichte Rückgang spiegelte sich in den vergangen Jahren auch bei diversen Landtagswahlen wider; hier wandten sich besonders junge WählerInnen und WechselwählerInnen der neuen Piratenpartei zu.

Es ist zweifelhaft, inwieweit die jüngsten Ergebnisse der Partei DIE LINKE der Krise zugeschrieben werden können. Stattdessen scheinen sie vielmehr einem Kampf zwischen un-terschiedlichen Strömungen innerhalb der Partei geschuldet, den DIE LINKE seit ihrem letz-ten Parteitag in Göttingen im Juni jedoch überwunden zu haben scheint. Seither hat die neue Parteispitze unter Katja Kipping und Bernd Riexinger erreicht, dass sich die innerparteilichen Auseinandersetzungen beruhigt haben. Zudem ist es ihnen – besser als ihren beiden Vorgän-gerInnen – gelungen, ein positives Bild in den Medien zu erzeugen.

Im vierten Jahr der Krise hat die politische Linke in Deutschland gerade erst damit begonnen, kohärente und weit reichende Antworten auf die europäische Sparpolitik zu formulieren und sich in der Debatte um die Zukunft der Eurozone und der Europäischen Union zu positionieren. Dies hängt teils damit zusammen, welche Bedeutung Europapolitik für DIE LINKE hat. Traditionell betrachtet die Partei die nationalstaatliche Politik als vorrangige Arena für ihren politischen Kampf. Folglich lag der Schwerpunkt in vorigen Wahlkampagnen eher auf Themen, die in den Bereich der nationalen Zuständigkeit fallen, z.B. die Reform der Sozialleistungen und die Beteiligung der Bundeswehr am Krieg in Afghanistan. Gleichzeitig hat DIE LINKE ihr Potenzial, WählerInnen in Bezug auf europäische Themen zu mobilisieren, noch nicht voll ausgeschöpft: Bei den letzten Europawahlen erhielten sie lediglich 7,5 Prozent der Stimmen – das entspricht weniger als zwei Dritteln ihres guten Ergebnisses bei den Bundestagswahlen drei Monate später.

Vor dem Hintergrund der Krise lässt sich ein wachsender Trend zur Europaskepsis innerhalb der LINKEN ausmachen: Während die Partei im Jahr 1999 noch betonte, die europäische Integration prinzipiell zu unterstützen, fehlt diese Formel heute. Stattdessen heißt es im neuen Parteiprogramm, das 2011 in Erfurt verabschiedet wurde, unter anderem: „Gemeinsam mit anderen linken Parteien stehen wir für einen grundlegenden Politikwechsel in der Europäischen Union.“

Die jüngste EU-Debatte in der LINKEN zeichnet sich durch Lebhaftigkeit und Vielfalt aus. Sie umfasst ein weites Spektrum von beachtenswerten kurzfristigen Vorschlägen und eher grundsätzlichen Gedanken zur Zukunft der EU. Eine Diskussion dreht sich um eine Neugründung oder einen Neuanfang der EU. Seit Beginn der Sparauflagen wächst innerhalb der LINKEN der Eindruck, dass eine linke Vision der Europäischen Union möglicherweise nur ein Traum ist, aus dem die Partei aufwachen muss. Daher wird diskutiert, ob die Linke sich nicht für einen gänzlich neuen Vertrag und eine neue Gruppe von Institutionen aussprechen sollte, die die Richtung des europäischen Projekts entscheidend verändern könnten. Doch die Debatte beinhaltet auch das Bild eines geeinten Europas als ursprünglich linke, internationalistische Vorstellung, die in der bestehenden EU lediglich zu einem neoliberalen Projekt pervertiert ist. Daraus erwächst die Zuversicht, dass sich diese Vorstellung von Europa auch wieder einfordern lässt – wenn DIE LINKE in der aktuellen EU-Politik starke Präsenz zeigt.

Ein weiterer Schwerpunkt der Debatte liegt auf der Frage, ob die Linke nicht gerade jetzt für eine „politische Union“ kämpfen sollte – als der einzige Weg zur Vermeidung einer Vormachtstellung Deutschlands in Europa (oder allgemeiner gesprochen: eines Europas in den Händen der starken Mitgliedstaaten). Wie könnte ein Ausbau der Regulierungskompetenzen der EU dabei helfen, das Ungleichgewicht zu beseitigen, das die Länder an der Peripherie in die Krise getrieben hat und das letztendlich zum Auseinanderbrechen der EU führen wird? In diesem Zusammenhang wird auch die Frage aufgeworfen, wie sich die Vorstellung von Solidarität mit anderen Ländern einer deutschen Bevölkerung nahe bringen lässt, die durch die Sozialleistungsreformen und die Ausbreitung des Niedriglohnsektors bereits seit Jahren unter einer andauernden Krise leidet.

Als konkrete Antworten auf die Eurokrise diskutiert DIE LINKE gegenwärtig linke Vorschläge für eine EU-Wirtschaftsregierung und fordert eine Transferunion, die durch eine Begrenzung der Außenhandelsüberschüsse und durch Maßnahmen zur Erhöhung der Löhne in Deutschland erreicht werden soll. Es herrscht Einigkeit hinsichtlich einer Reihe von Vorschlägen: Finanztransaktionsteuer, Steuer auf hohe Einkommen, Schaffung einer öffentlichen Europäischen Bank (bzw. eine aktivere Rolle der Europäischen Investitionsbank), Streben nach europaweiten Mindestlöhnen, sowie ein Europäischer Pakt für öffentliche Investitionen. Diesen Vorschlägen liegt die gemeinsame Annahme zugrunde, dass die Krise in erster Linie das Ergebnis einer schwindenden Kaufkraft und fehlender öffentlicher Einnahmen ist. Die letztere Idee hat beispielsweise auch in einen Slogan der LINKEN Eingang gefunden: „Unsere Schuldenbremse heißt Millionärsteuer“.

Des Weiteren ist man sich der Gefahren bewusst, die die Krise für die Demokratie und für die Unabhängigkeit der Finanzmärkte bedeutet. Dieses Bewusstsein findet Ausdruck in Forderungen nach einer stärkeren Kontrolle der Europäischen Zentralbank und nach der Schaffung einer europäischen Ratingagentur. Dabei konzentrieren sich die demokratischen Bedenken innerhalb der LINKEN auf zwei unterschiedliche Aspekte. Zum einen geht es da-rum, dass die gegenwärtige Neuorganisation der EU die demokratische Einflussnahme des Bundestags beschränkt und insbesondere seine Haushaltshoheit beeinträchtigt. Zum anderen besteht die Sorge, dass dadurch die wenigen neuen Rechte, die das Europäische Parlament durch den Lissabon-Vertrag gewonnen hat, obsolet werden.

Vor allem diese beiden Bedenken haben DIE LINKE veranlasst – als einzige Partei im Bundestag – gegen den Fiskalpakt und den ESM zu stimmen. Denn diese internationalen Verträge unterstehen nicht nur der Exekutivgewalt der Mitgliedstaaten; sie bleiben auch außerhalb der Kontrolle des Europäischen Parlaments. Die deutsche Öffentlichkeit hat dieses Votum durchaus zur Kenntnis genommen, genauso wie die Klage gegen die neuen Institutionen vor dem Bundesverfassungsgericht. Allerdings ist durch diese Klage auch die Herausforderung für DIE LINKE offenbar geworden, ihre Ziele bezüglich der EU zu erläutern. PolitikerInnen der konservativen CSU hatten eine eigene Klage eingereicht, die darauf abzielte, Deutschlands Haftung gegenüber anderen Ländern in der Eurozone zu begrenzen. Angesichts der komplexen Themen, die auf dem Spiel standen, war es für DIE LINKE schwierig, ihre Motive deutlich abzugrenzen und zu unterstreichen, dass sich die Partei nicht gegen die Unterstützung Griechenlands oder anderer europäischen Länder aussprach.

Die Debatte innerhalb der LINKEN zur Haltung in puncto Sparpolitik und Zukunft der EU hat auch insofern an Bedeutung gewonnen, als sich die Partei auf die Bundestagswahlen vorbereitet, die in weniger als einem Jahr anstehen. Vor kurzem haben die Parteivorsitzenden Katja Kipping und Bernd Riexinger ein Strategiepapier für die Wahlkampagne vorgelegt. Es trägt der Tatsache Rechnung, dass Umfragen zufolge die Eurokrise gegenwärtig als wichtigstes Problem betrachtet wird. In ihrem Papier entwerfen Kipping und Riexinger Ideen zu einer linken Sichtweise auf die Krise, aufbauend auf der Formel „Klasse, nicht Nation“. Für Europa fordern sie eine starke Regulierung und eine Umverteilung des Wohlstands, die den öffentlichen Leistungen zugute kommt. Allerdings sieht die Strategie bisher keine tiefer gehende Diskussion zur Zukunft der europäischen Integration oder der EU-Institutionen an sich vor.

Es ist noch zu früh zu sagen, welche Richtung die Wahlkampagne in Bezug auf die Hauptbotschaft der LINKEN zur europäischen Integration einschlagen wird. Allerdings gibt es – strategisch betrachtet – einige Lektionen, die DIE LINKE von der griechischen SYRIZA (26,9 Prozent bei den letzten Wahlen) und der niederländischen SP (9,7 Prozent) lernen kann. So hat SYRIZA gezeigt, dass eine deutliche Kritik an der gegenwärtigen EU in Verbindung mit einem gleichzeitigen Festhalten am Prinzip der europäischen Integration die Linke zum Wahlerfolg führen kann. Im Gegensatz dazu wurden die EU-skeptische Kampagne der SP und ihre Forderungen nach einem Austritt aus der Eurozone von den WählerInnen nicht belohnt.

Daher steht die LINKE gleichermaßen vor der Chance und der Herausforderung, ein ausgewogenes Wahlprogramm vorzulegen: eines, das der EU gegenüber kritisch ist und sich deutlich gegen den derzeitigen Trend in Richtung einer noch neoliberaleren Politik richtet; gleichzeitig gilt es jedoch zu vermeiden, dass die Vorschläge als antieuropäisch abgestempelt werden können. Dass Letzteres ungerechtfertigt ist und dass die Partei mit einer positiven Einstellung zur europäischen Integration durchaus erfolgreich Wahlkampf betreiben kann, zeigen die Ergebnisse einer kürzlich durchgeführten Umfrage. Demzufolge sprechen sich 44 Prozent der potenziellen WählerInnen der LINKEN für eine politische Union in Europa aus. Das ist unter allen politischen Parteien in Deutschland die stärkste Unterstützung für das europäische Projekt innerhalb der Wählerschaft.

Abschließend bleibt festzuhalten, dass sich die bereits interessante strategische und ideologische Debatte zur Europapolitik innerhalb der LINKEN bis zu den nächsten Wahlen weiter fortsetzen wird. Und trotz der schwierigen Voraussetzungen in Deutschland bleibt eine gewisse Hoffnung: Dass das Versprechen der aktuellen Wahlkampagne –„Je stärker DIE LINKE, desto sozialer das Land“ – sich irgendwann verwandelt in: „Je stärker DIE LINKE, desto sozialer die EU“.