Die Zukunft von Strom und Gas

Ein Workshop zu europäischer Energiepolitik und Alternativen

28.04.2016
Malte Daniljuk
Bild: Lens Envy, Liquid Natural Gas Tanker / Flickr / CC BY-NC-ND 2.0

Am 5. und 6.10.2015 veranstaltete die Rosa-Luxemburg-Stiftung, Büro Brüssel, ein Arbeitstreffen zu europäischer Energiepolitik. TeilnehmerInnen aus Spanien, Frankreich, Großbritannien, den Niederlanden, Belgien und Deutschland tauschten sich über die aktuellen energiepolitischen Strategien der EU-Kommission aus, diskutierten Ansätze einer alternativen Energiepolitik und entdeckten eine neue Herausforderung: Statt einer Energiewende – weg von den fossilen Brennträgern – wird Erdgas demnächst eine immer stärkere Rolle für Politik und Wirtschaft in Europa spielen.

Die EU-Energieunion

Fabian Hübner von transit*europe stellte den aktuellen Stand der europäischen energiepolitischen Debatte und die Strategien der EU-Energieunion vor. Er warf einen Blick auf das neue Konzept für den EU-Strommarkt, die rechtlichen Ausgangsbedingungen der EU-Energiepolitik sowie die europäischen Integrationsbestrebungen der Energieunion. Nach dem „Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung“ (Art. 5 EUV) ist eine neue Energiepolitik von einem Konflikt zwischen Koordinierung und Vergemeinschaftung geprägt, so Hübner. Laut Lissabon-Vertrag kann die EU folgende Ziele befördern: Sie soll das Funktionieren des Energiemarktes sicherstellen und die Energieversorgungssicherheit in der Union gewährleisten. Ihre Politik soll Energieeffizienz und Energieeinsparungen fördern, sowie den Ausbau neuer und erneuerbarer Energiequellen unterstützen. Außerdem kann sie sich um eine bessere Interkonnektion der Energienetze kümmern.

Das Ziel, die „Energieversorgungssicherheit“ zu gewährleisten, stellt die größte inhaltliche Neuerung der Rechtsgrundlagen für energiepolitische Maßnahmen dar und war bisher vorwiegend nationales Hoheitsgebiet. Dieser Sachverhalt spiegelt zum einen die Auswirkungen der Ukraine-Krise wieder, das Thema steht jedoch auch exemplarisch für den zunehmenden Einfluss europäischer Akteure im Rahmen der öffentlichen Daseinsvorsorge. Im Jahr 2014 führte der derzeitige EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker das Projekt „Energiesicherheit“ unter den fünf Top-Prioritäten. Bereits zuvor hatte der Europäische Rat die Energieunion als einen Punkt auf der strategischen Agenda benannt und die fünf Prioritäten (Energieversorgungssicherheit, integrierter Energiebinnenmarkt, Energieeffizienz, Dekarbonisierung der Wirtschaft sowie Forschung) festgelegt.

Im Vordergrund der Energiesicherheitsstrategie der Europäischen Union stehen der gemeinsame Einkauf von Erdgas, sowie die Entwicklung der für Flüssigerdgas (LNG) und dessen Speicherung notwendigen Infrastrukturen. Die Ziele sollen über die Finanzierung von „Projects of Common Interest“ (PCIs, Vorhaben von gemeinsamem Interesse) realisiert werden. Die Förderung erneuerbarer Energien muss in der angekündigten Energieunion im Einklang mit den Leitlinien für staatliche Umweltschutz- und Energiebeihilfen „durch marktbasierte Mechanismen“ gesehen werden, welche zu Lasten der Bürgerenergien gehen.

Die bewusst mehrdeutig formulierte Rahmenstrategie verbirgt tiefgreifende Interessengegensätze innerhalb der EU-Klima- und Energiepolitik. Das Projekt der Energieunion steht vor dem Problem, dass die meisten Mitgliedstaaten bisher am Primat der nationalen Souveränität in der Energiepolitik festhalten. Andererseits reichen die vertraglichen Grundlagen der EU für die geplanten Regulierungen in der Energiepolitik aus, so die Einschätzung von Fabian Hübner. Die Herausforderungen für eine europäische Linke bestehen darin, sich mit der Entwicklung der Energieunion, dem geplanten EU-Strommarkt und dessen Auswirkungen für die mitgliedstaatliche Regulierungsfähigkeit des Energiesystems auseinanderzusetzen. Derzeit stellen sich diese Auseinandersetzungen vor allem in den europäischen Debatten um Preisregulierung und Energiearmut dar, sowie um die Förderkriterien und Zielbestimmungen für erneuerbare Energien, Governance-Fragen und Förderungen von Infrastrukturprojekten.

Fallbeispiel Spanien

Die Auswirkungen solcher Mega-Projekte für die landesweite Energieinfrastruktur beschrieben Pablo Cotarelo und Alfons Pérez vom katalanischen Observatori del Deute en la Globalització (ODG) in ihrer aktuellen Studie zu Energiekosten in Spanien und dem EU-Elektrizitätsmarkt. In den vergangenen 15 Jahren entstand dort ein hohes Überangebot von Erdgas, das einerseits auf eine falsche Schwerpunktsetzung der nationalen Energiepolitik, aber auch auf eine Blockade in anderen EU-Staaten, namentlich in Frankreich zurückzuführen ist. Konkret unterzeichneten Spanien und seine fünf dominierenden Energieunternehmen in den Jahren 2002 bis 2004 zahlreiche Langzeitverträge für den Import von Erdgas, ohne dass diese Überkapazitäten in die anderen EU-Staaten abgesetzt werden können.

Im Rahmen von „Projects of Common Interest“ (PCI) sind zwar vier Pipeline-Verbindungen für den Export über die Pyrenäen geplant, allerdings blockiert der Atomstaat Frankreich bisher mögliche Erdgasimporte über die derzeit schon bestehende Midcat-Pipeline. Trotz des daraus entstehenden Überangebots von jährlich etwa 6 Milliarden Kubikmetern Erdgas müssen die Spanier die höchsten Elektrizitätspreise zahlen. Und nicht nur das. Aus Steuermitteln wurden zwischen 1998 und 2013 etwa 80 Milliarden Euro an „illegitimen Zahlungen“ (Cotarelo, Pérez) an die Unternehmen geleistet, um deren wirtschaftliche Defizite zu kompensieren, denn die Überschüsse an Erdgas werden zu niedrigen Preisen reexportiert.

Gerade wegen dieser Negativ-Erfahrungen mit dem Oligopol sehen Pablo Cotarelo und Alfons Pérez die Lösung nicht in einer stärkeren Integration in den europäischen Energiemarkt. Diese Lösung würde die großen Infrastrukturen nur künstlich attraktiv gestalten und den Energiekonzernen zugutekommen. Historisch ging eine solche Integration eher zulasten der peripheren Regionen, so Cotarelo und Pérez. Die Entscheidungsfindung wird von den Betroffenen wegverlagert und die lokale Wirtschaft geschwächt.

Das Observatori del Deute en la Globalització (ODG) schlägt stattdessen ein grundsätzlich verändertes Vorgehen in der Energiepolitik vor. Im Mittelpunkt sollte die Energieversorgung der Stadtteile und Gemeinden stehen. Bürgerinitiativen und Kooperativen brauchen einen unkomplizierten Finanzierungsrahmen, in dem sie souverän die lokale Versorgungssituation lösen können. Eine solche dezentrale und demokratische Struktur zeigt sich aufgrund kürzerer Transportwege und einem Fokus auf Erneuerbare auch als der energie- und klimapolitisch sinnvollere Weg.

Erdgas und LNG in Europa

Wie die gegenwärtige Situation bei der Erdgasversorgung und die Strategien der EU aussehen, präsentierte Jonathan Gaventa von E3G-Third Generation Environmentalism. Bereits jetzt ist vorgesehen, dass ein großer Teil der Investitionen in die neuen Infrastrukturen für Erdgas – der Southern Gas Corridor, Nord Stream und Turkstream – aus öffentlichen Mitteln gefördert werden, und zwar als „Projects of Common Interest“. Diese Förderung aus Mitteln der Steuerzahler würde nach Einschätzung von Jonathan Gaventa einen Großteil der benötigten Gesamtkosten abdecken.

Andererseits geht die Nachfrage nach Erdgas seit Jahren radikal zurück. Das Jahr 2014 war hinsichtlich des Gasverbrauchs das schwächste Jahr seit 1995. Die Ursache dafür sind strukturelle Veränderungen in der europäischen Wirtschaftsstruktur und der steigende Anteil von erneuerbaren Energien an der Stromerzeugung. Zudem sind es nur bestimmte EU-Staaten, die eine hohe Abhängigkeit von Erdgas aufweisen: Nur in Deutschland und Griechenland steigt der Verbrauch; die osteuropäischen und einige skandinavische Länder beziehen mehr als zwei Drittel ihres Erdgases aus der Russischen Föderation und stehen damit im Mittelpunkt der aktuellen Debatten um die Versorgungssicherheit. Deutschland, Großbritannien, Italien, Frankreich, die Niederlande und Spanien verbrauchen zusammen etwa 75 Prozent des gesamten in der EU verbrannten Erdgases.

Eine besondere Rolle spielt für die Europäische Kommission verflüssigtes Erdgas (LNG). Es wird als Alternative zum Pipeline-Import diskutiert und sollte eine „größere Unabhängigkeit bei der Versorgung“ – insbesondere von Russland – gewährleisten. Gegenwärtig betragen die LNG-Importe etwa 7 Prozent des gesamten Verbrauchs an Erdgas. Große Importkapazitäten liegen bisher vor allem in Westeuropa. Die Verflüssigungs- und Vergasungskapazitäten haben teilweise einen Auslastungsfaktor von nur 24 Prozent. Dabei sind neue LNG-Terminals äußerst langlebig und sehr teuer. Die EU-Kommission hat Anfang 2016 eine neue LNG-Strategie vorgestellt.

Obwohl der Gasbedarf seit Jahren fällt, geht die EU bei ihren Projektionen weiterhin von einem steigenden Bedarf aus und rechtfertigt damit auch die großen Infrastrukturplanungen. Wie bereits in Spanien besteht hier die Gefahr eines institutionellen Überangebots. Dies könnte dazu führen, dass die Strategie der EU für die „Versorgungssicherheit“ eher auf fossile Energieträger fokussiert. Die hohen Investitionen in entsprechende Infrastrukturen werden sich vermutlich nicht lohnen, womit öffentliche Gelder für unrentable Projekte ausgegeben werden. Insgesamt gerät die aktuelle Strategie der EU damit in Konflikt zu ihren selbst gesteckten Zielen bei der „Dekarbonisierung“.

Vonseiten der Umweltbewegung und der NGOs müssen die Energieziele der Europäischen Kommission daher einem reality check unterzogen werden, so Jonathan Gaventa. Es sollte sichergestellt werden, dass die Auswahl und Priorisierung der PCIs auf der Grundlage von realistischen Szenarien erfolgt. Möglicherweise können konkrete Maßnahmen geplant werden, die die Projekte für den Gas-Import evaluieren.

Möglichkeiten der Regulierung

An welche Grenzen der Gesetzgeber stößt, wenn einmal gesetzte Regularien geändert werden, stellte die Rechtsanwältin Dörte Fouquet aus der Kanzlei Becker Büttner Held dar. Das Anwaltsbüro begleitet schwerpunktmäßig große Energie- und Infrastrukturprojekte aufseiten von öffentlichen Institutionen. Die aktuelle Rechtsgrundlage für energiepolitisches Handeln stellt die Liberalisierung des Energiemarktes 2009 dar. Auf dieser Grundlage soll ein „freier Wettbewerb“ gewährleistet und die „Diskriminierung“ bestimmter Marktteilnehmer verhindert werden. Ausgenommen vom Wettbewerb sind bisher „natürliche Monopole“, etwa bei den Versorgungsnetzen. Mit der Liberalisierung war auch die Aufspaltung in Versorger und Netzanbieter verbunden.

Maßnahmen des Gesetzgebers müssen demnach in ihrer zeitlichen Dauer und auf die absolut notwendigen Instrumente beschränkt sein, und natürlich müssen alle Marktteilnehmer die gleichen Zugangsmöglichkeiten bekommen. Interessenkonflikte werden normalerweise von nationalen Institutionen oder der Europäischen Kommission geregelt. Konflikte zwischen ausländischen Investoren und Staaten sollen allerdings, so der Energy Charter Treaty, nach WTO-Regeln, d.h. von Internationalen Schiedsgerichten geregelt werden, den International Centres for the Settlement of Investment Disputes (ICSID).

Mit Blick auf angebliche „illegale staatliche Beihilfen“ kam es in den vergangenen Jahren zu mehreren Klagen gegen einzelne Mitgliedsländer, bei denen die EU-Kommission teilweise über eine Amicus Curiae-Lösung am Verfahren beteiligt war. So klagte etwa die Investorengruppe Micula gegen Rumänien, als der Gesetzgeber bestimmte Subventionen zu ihren Gunsten abschaffte. Ein ICSID sprach den Klägern 82 Millionen Euro an Schadensersatz aus Steuermitteln zu. Die EU-Kommission stufte diese Entschädigung später als „illegale staatliche Beihilfe“ ein und unterband die Zahlung bis auf weiteres.

Im Fall Vattenfall vs. Germany (2009) klagte das Unternehmen vor einem internationalen ICSID-Schiedsgericht gegen nachträglich erlassene Umweltauflagen für das Kohlekraftwerk Hamburg-Moorburg. In dem Verfahren, in dem die EU-Kommission sich nicht als Amicus Curiae beteiligte, einigten sich die Parteien informell auf einen „Schadensersatz“ an das Unternehmen von 1,4 Milliarden Euro aus Steuermitteln. Aufgrund dieses, für das Unternehmen sehr erfolgreichen Verlaufs klagte Vattenfall vor einem ICSID auch gegen die Regierungsbeschlüsse zum Atomausstieg (ARB/12/12). Vattenfall macht nun einen angeblichen Schaden von 4,7 Milliarden geltend.

Auf der anderen Seite hat die EU-Kommission auch die Aufgabe, europäische Unternehmen auf dem europäischen Markt vor „unfairer Konkurrenz“ zu schützen. Dies kann Dumping-Preise und „illegale staatliche Beihilfen“ durch andere Staaten betreffen. Im Energiebereich betraf dies bisher etwa die Photovoltaik-Industrie, die gegen Importe aus China geschützt wurde.

Dezentral und erneuerbar

Dirk Vansintjan von RESCoop aus Antwerpen stellte einen dezentralen Ansatz von Kooperativen in Europa vor. Der Zusammenschluss von Initiativen rund um erneuerbare Energien organisiert europaweit 2400 Genossenschaften. Die Gemeinsamkeit dieser „Community Power Initiatives“ besteht darin, dass sie weder privatwirtschaftliche Initiativen noch im klassischen Sinne öffentliche Unternehmen sind. Diese lokalen und regionalen Initiativen aus der Bevölkerung haben sich zusammengefunden, um eine Energieversorgung aus erneuerbaren Energien und eine höhere Energieeffizienz zu erreichen – bei niedrigeren Preisen.

Dirk Vansintjan stellte die typischen Probleme von Gemeinden vor, die nur teilweise oder gar nicht an die großen Energieinfrastrukturen angebunden sind, anhand von Beispielen in Griechenland und Österreich. Hier wird bis heute Erdöl und Erdgas verbrannt, das auf dem Straßenweg oder per Schiff antransportiert wird. Dies führt zu außerordentlich hohen Kosten und Umweltbelastungen. Eine Konsequenz einer zentralisierten Energieinfrastruktur, so Vansintjan, die erst mit dem Aufkommen der Atomkraftwerke in den 1960er und 1970er durchgesetzt wurde.

Schließlich wurden mit der Vereinheitlichung und Liberalisierung des EU-Binnenmarktes die regionalen und öffentlichen Anbieter zurückgedrängt. Durch die technologischen Fortschritte in der Produktion der erneuerbaren Energien sinke jedoch inzwischen der Preis für deren regionale Produktion. Aufgrund technischer und architektonischer Fortschritte nimmt auch der Verbrauch in den Haushalten ab. Insofern ist nach Ansicht von Dirk Vansintjan die aktuelle Situation, die Krise der großen Energiekonzerne, ein wichtiges Moment, um eine Energiewende hin zu dezentralen Strukturen und erneuerbaren Energien voranzubringen. Anders als bei fossilen Energieträgern lassen sich die Ressourcen von erneuerbaren Energien zudem grundsätzlich als öffentliches bzw. gemeinschaftliches Eigentum behandeln, was etwa dazu führt, dass in Deutschland im Jahr 2010 nur 25 Prozent der erneuerbaren Energie von großen Firmen und Investment-Fonds erzeugt wurde. Den Rest produzierten Privathaushalte, Landwirtschaftsunternehmen und kleinere Firmen.

Solarenergie von privaten Firmen

Welche Rolle erneuerbare Energien für den privatwirtschaftlichen Sektor spielen, diskutierte James Watson, der CEO von Solar Power Europe. Das Netzwerk der europäischen Photovoltaik Industrie organisiert 130 Einzelfirmen, darunter Marktgrößen wie Du Pont, Enel Green Power und Total. Weltweit betrachtet stieg im Jahr 2014 der Anteil von aus Sonnenenergie gewonnener Elektrizität auf über 40 Gigawatt. Dabei verzeichnen in den letzten Jahren China, Japan und die USA die stärksten Zuwächse.

In Europa beschränkt der Wegfall von öffentlicher Förderung seit dem Jahr 2011 klar das Wachstum des Solarmarktes. Nach Darstellung von James Watson bewegen sich die Kosten von Photovoltaik bei der Stromerzeugung in Europa auf einem ähnlichen Niveau wie etwa Windkraft. Gleichzeitig befindet sich der europäische Strommarkt in einer Übergangsphase. Deutschland, Großbritannien und Frankreich stellen den höchsten Anteil an den insgesamt 7 Prozent Strom, die im vergangenen Jahr durch Solarenergie erzeugt wurden.

Dabei spielen – nach wie vor – dezentrale Systeme auf Hausdächern eine wichtige Rolle. Allerdings verschob sich das Spektrum der Betreiber in den vergangenen Jahren von Hausbesitzer*innen hin zu kommerziellen und industriellen Betreibern. Solar Power Europe sieht hier für die nächsten Jahre erhebliche Steigerungsmöglichkeiten.

Power to the People

Schließlich stellte Molly Walsh die Kampagne Power to the People des Aktivist*innennetzeswerks Friends of the Earth vor. Das Netzwerk interveniert mit zahlreichen öffentlichen Aktionen in verschiedene Felder der Energiepolitik. Daneben arbeitet das Netzwerk daran, konkrete Projekte erneuerbarer Energien auf Ebene der Gemeinden voranzubringen, die in öffentlichem Eigentum sind. Gemeinden werden dabei konkret im Projektmanagement unterstützt, etwa in der Rechtsberatung, die aktuelle Gesetzesänderungen berücksichtigt. Genauso hilft Friends of the Earth bei der Finanzplanung oder stellt Kontakte zu bestehenden Projekten und umweltpolitischen Netzwerken her. Organisiert sind bisher 12 Organisationen in 8 verschiedenen Ländern.

Auch Molly Walsh sieht wie die vorherigen Teilnehmer einen Durchbruch bei erneuerbaren Energien, die sich langfristig gegen fossile Energieträger durchsetzen werden. Alleine in den vergangenen fünf Jahren wurden weltweit mehr Photovoltaik-Kapazitäten installiert als zusammen genommen bis dahin. Während in Europa der Anteil fossiler Energien sinkt, steigen die Erneuerbaren rasant an.

Molly Walsh stellte aber auch Projekte vor, die über die engeren umweltpolitischen Fragen weit hinausgehen. So unterstützt Friends of the Earth in britischen Gemeinden Projekte gegen die Energiearmut, d.h. auf der Basis von dezentralen und erneuerbaren Energien wird es Gemeinden mit niedrigen Einkommen etwa in Brixton möglich, ausreichend günstige Energie zu produzieren. Eine Energiedemokratie müsse über die engen umweltpolitischen Fragen auch soziale Probleme lösen können, so Molly Walsh.

Eine Energiestrategie von unten

Eine Herausforderung für linke Energiepolitik besteht darin, dass die unterschiedlichen Traditionslinien aus der historischen Linken teilweise sehr unterschiedliche Konzepte verfolgen. So wies Manuela Kropp aus dem Brüsseler Büro der GUE/NGL-Abgeordneten Cornelia Ernst darauf hin, dass einige Mitgliedsparteien der europäischen Linken sich großen zentralen Infrastrukturen nicht widersetzen und fossilen Energieträgern und Atomkraft wegen ihrer Sorge um Arbeitsplätze unkritisch gegenüberstehen. Auf der anderen Seite sehen viele Aktivist*innen etwa in den kommerziellen Anbietern von erneuerbaren Energien, wie etwa den in Solar Power Europe organisierten Firmen, kaum Bündnispartner für eine alternative Energiepolitik, wie Tom Kucharz von Ecologistas en Acción betonte.

Unter allen Teilnehmer*innen bestand allerdings Konsens, dass im Rahmen der Europäischen Energieunion die kritische Auseinandersetzung mit Erdgas in nächster Zukunft größere Bedeutung erlangen wird. Eine zentrale Forderung mit Blick auf geplante neue Infrastrukturen für den Gastransport sollte lauten: Keine öffentlichen Mittel für fossile Energie! Zudem müssten die angeblich klimagünstigen Bedingungen von Erdgas kritisch thematisiert werden. Über die Brennwerte hinaus treten bei der Gasförderung durch Abfackelung und unkontrollierte Methanaustritte zahlreiche klimaschädliche Gase aus, so dass von Erdgas als klimafreundlicher Brückentechnologie keine Rede sein könne.

In diesem Zusammenhang erinnerte Demosthenes Papastamopoulos von Syriza, der im Griechischen Ministerium für Umwelt und Energie arbeitet, aber auch daran, dass die geopolitischen Implikationen der unterschiedlichen Strategien zur Gasversorgung – aus Russland oder über Flüssiggas aus Nordamerika – nicht unberücksichtigt bleiben dürfen. Ein Konsens bestand unter den Beteiligten dahingehend, dass Fracking als Fördermethode in Europa keine große Rolle spielen wird. Allerdings zielt die auf LNG orientierte Strategie der EU möglicherweise auf Importe von Fracking-Gas aus den USA und Nordafrika in großen Umfang ab. Der Widerstand gegen eine weitere Runde mit fossilen Energien muss grundsätzlich erneuerbare und möglichst auch dezentrale Ansätze in der Energieversorgung unterstützen.

Zum Autor:
Malte Daniljuk ist Fellow für Energiepolitik und Geostrategie des Instituts für Gesellschaftsanalyse, Rosa-Luxemburg-Stiftung.

Kontakt:
Marlis Gensler, Rosa-Luxemburg-Stiftung Brüssel, marlis.gensler@rosalux.org

Website der Veranstaltung mit Präsentationen der Teilnehmenden und Hintergrundmaterialien:
Die Zukunft von Strom und Gas in Europa

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